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Entwicklung der Reflexlehre
einer Art Bewegung, soweit es sich um die von ihm für fehler-
haft gehaltene Unterscheidung in „animalisch“ und „organisch“
gehandelt hatte, als neuromuskuläre Bewegung im Gegensatz
zur idiomuskulären Kontraktion steht im ersten Teil des Buches,
der betitelt ist: „Bewegung“. Wir können gegen diese Art von
Abhandlung der Bewegung der Muskeln nichts einwenden, es
sei denn, daß wir — und das doch wohl mit Recht — Schiff
ein Verfehlen darin anrechnen, daß er hier oder besser an an-
derer Stelle seines Buches eben der Muskelbewegung, die Zuk-
kung ist, nicht das an Betrachtung einräumt, was sie in vivo be-
deutet. Er hat lediglich die Weiterbetrachtung der topographischen
Anatomie anheimgestellt. Es ist dann auch so geworden, wie
Schiff es auf den ersten Seiten schon in einem Exkurs feststellte:
man soll zuerst deskriptive Anatomie lernen, um die Fundamente
für die Physiologie zu besitzen, und soll dann, mit Anatomie
und Physiologie begabt, in der topographischen Anatomie For-
schung treiben können; Schiff nennt das: ,die Beziehungen zwi-
schen der Physiologie und den medizinischen Studien erkennen
können1. — Schiff befaßt sich noch einmal im 2. Abschnitt der
Nervenphysiologie in der Unterabteilung „Die Tätigkeit der mo-
torischen Nerven“ unter „Nervenlähmung“ mit Muskelbewegung.
Die alte Auffassung, daß Muskeln nach ihrer Abtrennung bzw.
nach der Abtrennung der motorischen Nerven von den Zentren
dauernd in Ruhe blieben, sei falsch. Es bestünde noch die Mög-
lichkeit, durch Nervenerregung eine neuromuskuläre Bewegung
in den Muskeln herbeizuführen, die sich im weiterlebenden
Körper befänden. Gemeint sind die sogenannten „paralytischen
Oscillationen“, die tagelang nach der Trennung von den nervösen
Zentren auf dem Nervenwege in den Muskeln erregt würden. Sie
beträfen immer nur einzelne Muskelbündel, sodaß es nie oder
wenigstens nur selten zu einem Effekt in die Außenwelt käme;
es seien mithin Nervenreize in den Muskeln bzw. auf die Muskeln
von Wirksamkeit, die „an den regelmäßig tätigen Teilen spurlos
vorübergingen“. So sei z. B. die Pupille bei Vögeln in einem
solchen Zustand unverändert groß, obwohl einzelne Fasern der
Iris-Muskulatur sich bewegten. Habe man aber Muskeln getroffen,
die aus ganz wenigen Fasern bestünden, dann könne es doch zu
einem Effekt nach außen kommen; Beispiele sind dafür die Mus-
keln an den Tasthaaren mancher Tiere. — Bis hierhin geht die
Betrachtung unter der ganz berechtigten Bezeichnung „Nerven-
Entwicklung der Reflexlehre
einer Art Bewegung, soweit es sich um die von ihm für fehler-
haft gehaltene Unterscheidung in „animalisch“ und „organisch“
gehandelt hatte, als neuromuskuläre Bewegung im Gegensatz
zur idiomuskulären Kontraktion steht im ersten Teil des Buches,
der betitelt ist: „Bewegung“. Wir können gegen diese Art von
Abhandlung der Bewegung der Muskeln nichts einwenden, es
sei denn, daß wir — und das doch wohl mit Recht — Schiff
ein Verfehlen darin anrechnen, daß er hier oder besser an an-
derer Stelle seines Buches eben der Muskelbewegung, die Zuk-
kung ist, nicht das an Betrachtung einräumt, was sie in vivo be-
deutet. Er hat lediglich die Weiterbetrachtung der topographischen
Anatomie anheimgestellt. Es ist dann auch so geworden, wie
Schiff es auf den ersten Seiten schon in einem Exkurs feststellte:
man soll zuerst deskriptive Anatomie lernen, um die Fundamente
für die Physiologie zu besitzen, und soll dann, mit Anatomie
und Physiologie begabt, in der topographischen Anatomie For-
schung treiben können; Schiff nennt das: ,die Beziehungen zwi-
schen der Physiologie und den medizinischen Studien erkennen
können1. — Schiff befaßt sich noch einmal im 2. Abschnitt der
Nervenphysiologie in der Unterabteilung „Die Tätigkeit der mo-
torischen Nerven“ unter „Nervenlähmung“ mit Muskelbewegung.
Die alte Auffassung, daß Muskeln nach ihrer Abtrennung bzw.
nach der Abtrennung der motorischen Nerven von den Zentren
dauernd in Ruhe blieben, sei falsch. Es bestünde noch die Mög-
lichkeit, durch Nervenerregung eine neuromuskuläre Bewegung
in den Muskeln herbeizuführen, die sich im weiterlebenden
Körper befänden. Gemeint sind die sogenannten „paralytischen
Oscillationen“, die tagelang nach der Trennung von den nervösen
Zentren auf dem Nervenwege in den Muskeln erregt würden. Sie
beträfen immer nur einzelne Muskelbündel, sodaß es nie oder
wenigstens nur selten zu einem Effekt in die Außenwelt käme;
es seien mithin Nervenreize in den Muskeln bzw. auf die Muskeln
von Wirksamkeit, die „an den regelmäßig tätigen Teilen spurlos
vorübergingen“. So sei z. B. die Pupille bei Vögeln in einem
solchen Zustand unverändert groß, obwohl einzelne Fasern der
Iris-Muskulatur sich bewegten. Habe man aber Muskeln getroffen,
die aus ganz wenigen Fasern bestünden, dann könne es doch zu
einem Effekt nach außen kommen; Beispiele sind dafür die Mus-
keln an den Tasthaaren mancher Tiere. — Bis hierhin geht die
Betrachtung unter der ganz berechtigten Bezeichnung „Nerven-