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Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0110
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110

Ernst Marx :

wollen als unwesentlich außer Acht lassen, ob die Aufzeigung
der Unabhängigkeit der Blutgefäße von zentraler Steuerung
oder, was er sonst noch angibt (z. B. die Unabhängigkeit des
Magens), in der systematischen Besprechung von Kreislauf und
Verdauung in anderen Teilen seines Lehrbuchs erfolgte, wo es
dann den Blick auf die Funktion eines ganzen Apparates, wie
man es zum Verständnis braucht, ergeben würde. Wir müssen
nun uns selbst die Frage stellen, ob denn nicht an dieser Stelle
die systematische Besprechung des Nervenapparats gegeben
worden sei. Darauf ist zuzugeben, daß eine Systematik hier be-
folgt worden ist, aber es ist eine Systematisierung nach den Vor-
gängen, genau gesagt: nach den Möglichkeiten für den Vorgang
geworden, nicht nach den Erscheinungsinhalten. Und da liegt der
Zugang zum Verstehen dieser Physiologie; sie suchte Vorgänge,
sie fand dabei die verschiedenen Formen der erwarteten Vor-
gänge je nach den Möglichkeiten des Organs, sie übersah damit
aber die Erscheinungen und vergaß im Weiterdenken erst recht
das Singuläre der jedesmaligen Erscheinung. — Wenn wir in
diesem Teil der Physiologie durch die Vorgänge, die Kräftewir-
kungen, in eine Mechanistik eingeführt wurden, so ergab sich
daraus von selbst das Vorhandensein von Substraten für den
Kräfteablauf (Nerv!), von bezüglichen Substanzen für den Vor-
gang bei der Funktion (Organ!). In der Auseinandersetzung des
zentralnervösen Geschehens tritt bei Schiff das Substantielle von
Substanz und Substrat eng zusammen, vereinigt sich, wodurch
„Kraft“ und „Stoff“ in eine Verbindung miteinander treten, deren
Lösung nicht mehr gesucht wird. — Wir dürfen also erwarten, im
Zentralnervösen eine Substanz zu finden, deren Teile einander
völlig zugeordnet sind. Diese Teile müssen dann einen einzigen
Vorgang hervorbringen, der sich aus dem zum Zentrum Hin-
kommenden herausbildet und es in der neuen Form wieder ver-
lassen kann. Wir dürfen weiter erwarten, daß die Gesetzmäßig-
keiten aus der Peripherie hier ihre einengende Gültigkeit einge-
büßt haben. Wir können auch annehmen, daß eine gewaltsame
Trennung der zentralnervösen Teile verschiedene Zentren schafft,
aber ihnen allen oder dem überlebenden Zentrum ein anderes
Wesen gibt, das allerdings nur eine Vereinfachung des Vorganges
zur Folge hat. Und hieraus zum Schluß wird es uns klar, daß
im Zur-Folge-Haben nicht die Erscheinung des Seelischen liegen
kann, sondern nur der Vorgang dafür. Das immer wieder Neue
 
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