Metadaten

Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0115
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
115

Entwicklung der Reflexlehre
Linie des jeweils vor sich gehenden Ablaufs mit der anderen,
nämlich der seelischen Achse, die konstant vorhanden ist. Der
Schnittpunkt ist ein „Moment“; zu seinem vom nervösen Ablauf
her nur quantitativ zu nehmenden Wesen bekommt er den Cha-
rakter einer Qualität: wir müssen an dieser Stelle die Sinn-
gebung der herandrängenden Eindrücke aus der Außenwelt für
die Reaktion des betroffenen Lebewesens annehmen. — Die Aus-
übung des dem Lebewesen innewohnenden Selbsterhaltungstriebs
ist das deutlichste Beispiel für eine Sinngebung; die biologische
Zweckmäßigkeit, nicht aber das Bewußtwerden ist ihr Kriterium;
ihre Materialisierung im Nervösen zu suchen, kann wohl nur zu
Fehlern führen. — Wir müssen immer bedenken, daß wir phy-
siologische Angaben darüber zu machen nicht imstande sind, zu-
mindesten nicht im Anschluß an die Forschungen Schiff’s. In
Windelband’s Vorwort zu Henri Bergson’s „Materie und Gedächt-
nis“ läßt sich aus dem Satz über die zwei Arten der Kausalität
eine direkte Beziehung zu diesen Überlegungen vom Nervös-
seelischen erkennen. Windelband sagt da — allerdings nicht den
Folgerungen Bergson’s sich anpassend —, daß die Kausalität
der äußeren Erfahrung nur die gleiche Folge, die des inneren
Erlebnisses die einmalige Tatsache begreife. Wir wollen
zum Schluß einer Forschung im Sinne Schiff’s lieber ein Unge-
nügen in ihrer Verhaftung mit dem Mechanismus nachsehen, als
aus dem umfassenden Reflexbegriff, den Schiff hatte, ein Bild
vom vollständigen lebenden Menschen zu entwerfen suchen, denn
das würde eine Täuschung über den Reflex bedeuten.
Schiff’s wesentliche Forschungen und Anschauungen über die
übrigen Teile des Zentralnervensystems sind bereits enthalten in
dem Vergleich mit Johannes Müller und kehren wieder in der
Besprechung seiner Anschauungen über das Rückenmark. Zur
Vervollständigung gehört nur noch, daß wir angeben, daß er die
Med. obl. für ein Koordinationsorgan hielt, und daß wir seine
Definition der Willkürbewegung anfügen. Sie heißt: „Eine will-
kürliche Bewegung ist eine durch den Mechanismus der Zentral-
organe notwendig erfolgende Reflexbewegung, angeregt durch
eine Kombination bewußter Empfindungen, von welcher die Vor-
stellung der entstehenden Bewegung selbst ein Glied ist“.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften