J. D. AcheliS: Syphilisschriften
für sich gehen, darumb sie zu andern erfarenheiten sich zu üben
gezwungen seind worden, als dan ire descriptiones augenschein-
lich ausweisen, darin sie seltsam hin und her gefallen, durch ein-
ander geworfen und so mancherlei gesucht, das daraus leichtlich
zu spüren und zu merken ist, das die franzosen zu iren Zeiten
inzureißen angefangen und doch inen nicht bekanntlich als uns
damalen“ 10). „Wie nun dises ein solche lange seit den arzten
begegnet ist, hat sich verlaufen der ausbruch on geferlichen im
tausend vierhundert und achtzigsten jar in solcher gestalt wie
obstet, von dem namen der franzosen, das er sol nach der in-
fluenz heissen venus, ist die ursach, das venus diser krankeit ein
mutter ist und in derselbigen zeit ungeferlich ir exaltation mögen
verbringen“ ll). „so venus ir krankheit ausgiessen sol und den
influß derselbigen geben, so mag es nicht anders beschehen dan
durch die. unkeuschheit, so dieselbig unter irem willen und ge-
fallen beschicht, so gibt imaginatio, cupido und actio den influß
der krankheit“ 12). „dan venus ist diser krankheit ein mutter,
darumb so wissent, das dise krankheit und venerischer influß kein
mensch befleckt, der nicht verwilliget, das ist actionem mit voller
imaginirung und begirlikeiten sich inlasset“ 13).
Aus sporadischen Fällen im Altertum und Mittelalter hat sich
allmählich eine Seuche entwickelt, die dann in den letzten Jahren
des 15. Jahrhunderts plötzlich eine enorme Verbreitung erfahren
hat u). Die Gründe für die Syphilisepidemie der Jahrhundertwende
sind doppelte: einmal ein historisches Faktum, das mit „exal-
tatio veneris“ bezeichnet wird und wohl mit Verfall der Sitten
übersetzt werden kann. Und dann das Verhalten der Menschen,
die sich diesem Zeitgeist nicht widersetzen. Von einem amerika-
nischen Ursprung der Syphilis wird kein Wort gesagt.
Ich möchte an dieser Stelle nicht auf diese alte Streitfrage
ausführlicher eingehen. Es sind auch heute keine Tatsachen be-
10) VII, 188. n) VII, 189. 12) VII, 189. 13) VII, 190.
14) Die Syphilis ist übrigens nicht clie einzige Infektionskrankheit, die
nach Parazelsus zu seiner Zeit plötzlich epidemisch aufgetreten ist. Er
führt die „Blatern“, also die Syphilis, gemeinsam an mit der „Bräune“,
der Diphterie, die damals tatsächlich epidemisch aufgetreten ist. Dazu
kommt noch der Rotlauf (Scharlach?) und „ein ander, die izt . . . . sich aus-
brütet, lumor pulmonis, gleich einer Pestilenz“ (VII, 445), wobei wohl mehr
an bösartige Pneumonien, an Pest oder Influenza, als an Lungentumoren
zu denken ist. - Andere Krankheiten sind nach seiner Meinung dafür
„abgestorben“, ein Schicksal, das die Syphilis auch einmal ereilen wird. -
für sich gehen, darumb sie zu andern erfarenheiten sich zu üben
gezwungen seind worden, als dan ire descriptiones augenschein-
lich ausweisen, darin sie seltsam hin und her gefallen, durch ein-
ander geworfen und so mancherlei gesucht, das daraus leichtlich
zu spüren und zu merken ist, das die franzosen zu iren Zeiten
inzureißen angefangen und doch inen nicht bekanntlich als uns
damalen“ 10). „Wie nun dises ein solche lange seit den arzten
begegnet ist, hat sich verlaufen der ausbruch on geferlichen im
tausend vierhundert und achtzigsten jar in solcher gestalt wie
obstet, von dem namen der franzosen, das er sol nach der in-
fluenz heissen venus, ist die ursach, das venus diser krankeit ein
mutter ist und in derselbigen zeit ungeferlich ir exaltation mögen
verbringen“ ll). „so venus ir krankheit ausgiessen sol und den
influß derselbigen geben, so mag es nicht anders beschehen dan
durch die. unkeuschheit, so dieselbig unter irem willen und ge-
fallen beschicht, so gibt imaginatio, cupido und actio den influß
der krankheit“ 12). „dan venus ist diser krankheit ein mutter,
darumb so wissent, das dise krankheit und venerischer influß kein
mensch befleckt, der nicht verwilliget, das ist actionem mit voller
imaginirung und begirlikeiten sich inlasset“ 13).
Aus sporadischen Fällen im Altertum und Mittelalter hat sich
allmählich eine Seuche entwickelt, die dann in den letzten Jahren
des 15. Jahrhunderts plötzlich eine enorme Verbreitung erfahren
hat u). Die Gründe für die Syphilisepidemie der Jahrhundertwende
sind doppelte: einmal ein historisches Faktum, das mit „exal-
tatio veneris“ bezeichnet wird und wohl mit Verfall der Sitten
übersetzt werden kann. Und dann das Verhalten der Menschen,
die sich diesem Zeitgeist nicht widersetzen. Von einem amerika-
nischen Ursprung der Syphilis wird kein Wort gesagt.
Ich möchte an dieser Stelle nicht auf diese alte Streitfrage
ausführlicher eingehen. Es sind auch heute keine Tatsachen be-
10) VII, 188. n) VII, 189. 12) VII, 189. 13) VII, 190.
14) Die Syphilis ist übrigens nicht clie einzige Infektionskrankheit, die
nach Parazelsus zu seiner Zeit plötzlich epidemisch aufgetreten ist. Er
führt die „Blatern“, also die Syphilis, gemeinsam an mit der „Bräune“,
der Diphterie, die damals tatsächlich epidemisch aufgetreten ist. Dazu
kommt noch der Rotlauf (Scharlach?) und „ein ander, die izt . . . . sich aus-
brütet, lumor pulmonis, gleich einer Pestilenz“ (VII, 445), wobei wohl mehr
an bösartige Pneumonien, an Pest oder Influenza, als an Lungentumoren
zu denken ist. - Andere Krankheiten sind nach seiner Meinung dafür
„abgestorben“, ein Schicksal, das die Syphilis auch einmal ereilen wird. -