Metadaten

Achelis, Johann Daniel [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 9. Abhandlung): Über die Syphilisschriften Theophrasts von Hohenheim: Die Pathologie der Syphilis, 1 — Heidelberg, 1939

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43755#0009
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Theophrasts von Hohenheim. I.

Ö

kannt, die sich der parazelsischen Darstellung nicht ohne weiteres
einfügen würden. Andererseits ist der sichere Beweis bis heute
nicht geführt, daß die Matrosen des Kolumbus syphiliskrank nach
Spanien zurückgekommen sind. Einer Entscheidung in der Form,
daß man sichere Syphilisfälle in Europa vor 1493 in größerer
Zahl aufzeigt, steht eine prinzipielle Schwierigkeit entgegen, die
bisher nicht hinreichend beachtet ist: Wenn ein Patient heute ein
Hautleiden und nach geraumer Zeit, vielleicht erst nach Jahren,
ein Leberleiden hat, bedarf es eines ganz bestimmten ärztlichen
Denkens, um die Einheit dieser Krankheiten überhaupt für möglich
halten zu können. Von der Humoralpathologie her ist das grund-
sätzlich unmöglich. — Es hat offenbar die Syphilisepidemie selbst
den Ärzten ein aetiologisches Denken aufgedrängt, da die Krank-
heit damals sehr schwer und schnell verlief. Die „neue krank-
heit“, also ein Naturvorgang, hat zu der Reformation der Medizin
mindestens so viel beigetragen, wie ihr erster Systematiker. Es
war auch schon damals so, daß eine neue Tatsächlichkeit die
Voraussetzung für die Wirkung einer Theorie war. Deutlich wird
auch, warum Hohenheim sich gerade dies Thema wählen mußte. —
Die Epidemie um 1500 ist dann allmählich abgeflaut. „Nach
folgends so wissen, dass venus nicht allemal wie zu derselbigen
zeit, dise Wirkung allein verbringt, sonder auch in ander weg.“
Und zwar kommen als andere Wege in Betracht: „so sich die
französisch materi ingemischt hat in die conception, so erbt das-
selbig kind dise krankheit und wird damit geboren“. Weiter
können „kinder etwan vergift werden, nach dem so sie empfangen
sind, also dass solcher actus weiter geschieht und französich gift
ingossen, von welchem das kind zu Vergiftung gebracht wird“.
Und schließlich können sie erkranken, wenn „die Mutter in fran-
zösischer Vergiftung das kind mit vergifter milch im leib und
außerhalb füret“. Zu diesen Formen der kongenitalen Lues kommt
dann noch die extragenitale Entstehung, „es sei mit Anrühren,
mit vermischtem schwitzen oder wie es dergleichen beschehen
mag“ 15)- „Also die blatern, so sie das gift in inen haben, das
ist, so das gift mit in ausschlecht, was dasselbig begreift und an-
rtirt, wird auch vergift“ 1G). Es wird sich heute nicht mehr ent-
scheiden lassen, ob alle Einzelheiten dieser Geschichte der Sy-
philis richtig beobachtet sind, ob also die genitalen Infektionen
nach der Epidemie neben der congenitalen oder extragenitalen

15) VII, 190.

16) VII, 207.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften