Theophrasts von Hohenheim. I.
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mung der pflanzlichen Samen, als ungeschlechtlich erscheinen
muß.
Dem steht gegenüber als ein viel umrätseltes Geheimnis der
Vorgang der menschlichen bzw. tierischen Zeugung, die man in
erster Linie an Tieren beobachtete, die mit Empfindung begabt
waren, also eine Sinnlichkeit besaßen. Dabei kannte man weder
die Spermatozoen noch die tierische Eizelle, konnte sich also von
der eigentlichen Befruchtung keine anschaulichen Vorstellungen
machen 24).
Aus dem Verhalten von Mensch und Tier in cohabitatione
war deutlich, daß es sich um einen Vorgang handelt, der den
ganzen Organismus in ganz anderer Weise betrifft, als das etwa
bei der Nahrungsaufnahme der Fall ist, die man, wenn man
von einigen Sonderfällen absah, sehr viel leichter als Funktion
einzelner Organe begreifen konnte. Beim Menschen insbesondere
war deutlich, daß der Zeugungsvorgang immer die ganze Person
ergriff. Auch wies das Ergebnis des Zeugungsaktes, die Geburt
eines Kindes, das den Eltern ähnlich ist, noch einmal auf Be-
teiligung des ganzen Menschen und nicht nur eines Organs hin. —
Und gerade dieser totale Vorgang erwies sich als nicht not-
wendig für die individuelle Existenz. Tier und Mensch leben wei-
ter, auch wenn sie an der Fortpfanzung gehindert werden. Der
Mensch gewinnt sogar aus diesem Verzicht, daß seine vernünf-
tige menschliche Existenz nicht immer wieder durch einen Akt
„mit Verhängung des Geistes“ unterbrochen wird. Auch erweist
sich, daß dieser Trieb im Gegensatz zu den drei anderen Trieben
an eine bestimmte Lebensphase gebunden ist.
Außer der Zeugung gibt es bei beiden Geschlechtern genitale
Vorgänge, die offenbar ein anderes Funktionsziel haben. Die
Menstruation und Pollution sind sicher keine Zeugungsvorgänge.
Aber auch sie betreffen dem Augenschein nach den ganzen Men-
schen und werden als Absonderungsvorgänge, als Reinigung, auf-
gefaßt.
Die menschliche Individualität nun, die sich bei einer solchen
Phaenomenologie der Zeugung als so entscheidend erweist, wird
von Parazelsus als der „Himmel im Menschen“ bezeichnet. Auch
2i) Übrigens verlief für Parazelsus die Grenze, die wir heute zwi-
schen anorganisch und organisch ziehen, wohl auf Grund dieses Krite-
riums an einer nicht näher bestimmten Stelle zwischen Pflanze und Tier.
Kristalle und Pflanzen wachsen aus Keimen, die Tiere aber zeugen.
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mung der pflanzlichen Samen, als ungeschlechtlich erscheinen
muß.
Dem steht gegenüber als ein viel umrätseltes Geheimnis der
Vorgang der menschlichen bzw. tierischen Zeugung, die man in
erster Linie an Tieren beobachtete, die mit Empfindung begabt
waren, also eine Sinnlichkeit besaßen. Dabei kannte man weder
die Spermatozoen noch die tierische Eizelle, konnte sich also von
der eigentlichen Befruchtung keine anschaulichen Vorstellungen
machen 24).
Aus dem Verhalten von Mensch und Tier in cohabitatione
war deutlich, daß es sich um einen Vorgang handelt, der den
ganzen Organismus in ganz anderer Weise betrifft, als das etwa
bei der Nahrungsaufnahme der Fall ist, die man, wenn man
von einigen Sonderfällen absah, sehr viel leichter als Funktion
einzelner Organe begreifen konnte. Beim Menschen insbesondere
war deutlich, daß der Zeugungsvorgang immer die ganze Person
ergriff. Auch wies das Ergebnis des Zeugungsaktes, die Geburt
eines Kindes, das den Eltern ähnlich ist, noch einmal auf Be-
teiligung des ganzen Menschen und nicht nur eines Organs hin. —
Und gerade dieser totale Vorgang erwies sich als nicht not-
wendig für die individuelle Existenz. Tier und Mensch leben wei-
ter, auch wenn sie an der Fortpfanzung gehindert werden. Der
Mensch gewinnt sogar aus diesem Verzicht, daß seine vernünf-
tige menschliche Existenz nicht immer wieder durch einen Akt
„mit Verhängung des Geistes“ unterbrochen wird. Auch erweist
sich, daß dieser Trieb im Gegensatz zu den drei anderen Trieben
an eine bestimmte Lebensphase gebunden ist.
Außer der Zeugung gibt es bei beiden Geschlechtern genitale
Vorgänge, die offenbar ein anderes Funktionsziel haben. Die
Menstruation und Pollution sind sicher keine Zeugungsvorgänge.
Aber auch sie betreffen dem Augenschein nach den ganzen Men-
schen und werden als Absonderungsvorgänge, als Reinigung, auf-
gefaßt.
Die menschliche Individualität nun, die sich bei einer solchen
Phaenomenologie der Zeugung als so entscheidend erweist, wird
von Parazelsus als der „Himmel im Menschen“ bezeichnet. Auch
2i) Übrigens verlief für Parazelsus die Grenze, die wir heute zwi-
schen anorganisch und organisch ziehen, wohl auf Grund dieses Krite-
riums an einer nicht näher bestimmten Stelle zwischen Pflanze und Tier.
Kristalle und Pflanzen wachsen aus Keimen, die Tiere aber zeugen.