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Achelis, Johann Daniel [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 9. Abhandlung): Über die Syphilisschriften Theophrasts von Hohenheim: Die Pathologie der Syphilis, 1 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43755#0016
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J. D. Achelis: Syphilisschriften
vitae“ ausgeht. (Man täte Parazelsus sicher unrecht damit). Ich
möchte nur darauf hinweisen, daß uns die zunächst seltsamen
Gedankengänge heute zugänglicher geworden sind, als sie es
vor 50 Jahren sein konnten, — wahrscheinlich weil wir wieder
biologisch im Sinne einer eigenständigen Wissenschaft zu denken
anfangen.
Nach vollzogener Befruchtung kehrt der Organismus wieder
in seine ursprüngliche Ordnung zurück, „so dan wissen, das als-
dan in ablöschung der action die virtus spermatica widerumb
hinder sich zeucht in die stett und örter, da sie herkomen ist“31).
Die samenbildende Kraft kehrt wieder in den ganzen Organismus
zurück. Und bei diesem Vorgang können dann auch Infektionen
des Gesamtorganismus eintreten: „. . . . und nach beschehung des
actus, so die natur wider abzeucht, mit der natur also in den
ganzen leib get, dadurch wird der ganze leib vergift“3’2). Und
damit ist die Darstellung der menschlichen Fortpflanzung ab-
geschlossen.
Es ist ersichtlich, daß bei Hohenheim dieser Trieb der individu-
ellen Konstitution des Menschen und seiner Lebensordnung ver-
bunden ist. Man sieht ohne weiteres, wie später die Entdeckung
der menschlichen Keimzellen diese Anschauungen in entscheiden-
den Punkten umgestalten mußte. Für unsere Untersuchung ist
aber wichtig, daß die Einsichten in den Triebaufbau nicht dahin
geführt haben, daß man auch die Geschlechtskrankheit allein von
solchen Gesichtspunkten her betrachten würde. Es bestünde hier
die Möglichkeit einer nur moralischen Bewertung, die spätere
Zeiten reichlich durchgeführt haben, etwa in der Form, daß jener
„Luxus“ des Triebes, der die Voraussetzung für die Infektion vor
allem in den Epidemiezeiten bildet, moralisch zu verurteilen und
die Krankheit damit sündig wäre. Bereits 1579 ist diese moralische
Wendung im dritten Buch der großen Wundarznei, das wohl
sicher eine Fälschung ist, vollzogen: „als dise krankheit wol mag
scelus Gallorum heißen“33), „weiter so ist die stat der mala fran-
zosen anfangs allein im coitu und in dem selbigen wesen, daraus
folgt der namen Gallorum sodoma und dieweil er alein in matrice
oder orificio vulvae sein nest hat, in dem er sich ausbrütet, gibt
sich der namen vulvae pestis“31). „das der schuler und leser höre,
was sünd und läster zubringt und zubereit, gibt und anricht,

81) VII, 194.

82) VI, 373.

88) X, 440.

84) X, 441.
 
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