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Achelis, Johann Daniel [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 9. Abhandlung): Über die Syphilisschriften Theophrasts von Hohenheim: Die Pathologie der Syphilis, 1 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43755#0015
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Theophrasts von Hohenheim. I.

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in die fantasei grüntlich, materialisch und mit allem seinem wesen
und das also, wil der man, so macht ime sein speculation ein
begirt, der begirt macht im den samen, als lauterer hernach folgen
wird, also hat got den samen gesetzt in die speculation und hat
der speculation geben den freien willen, sich begirlich zu machen
oder nit“ 28). Eine Kohabitation mit einer Frau, die nicht von der
Imaginatio ergriffen ist, führt nach seiner Meinung nie zur Be-
fruchtung. Und er schließt aus dieser übrigens keineswegs immer
zutreffenden Beobachtung, daß durch die Phantasie bei beiden
Geschlechtern ein befruchtungsfähiger Same erst entstünde, „also
ist dis im mannen und also auch in frauen. der liquor vitae wird
und bleibt sonst ein liquor und kein sam, aber er wird zu einem
samen, aus Ursachen das er ligt in allem leibe ausgeteilet. des-
gleichen ist alle die natur, eigenschaft, wesen und art der glidern,
der geisten in ime. und wie der cörper stehet in seiner formi-
rung also stehet auch der liquor vitae. und der liquor vitae ist
nichts anderes dan ein verborgener mensch. dan der sichtig ist
der, der in verbirgt“ 29). Die Bildung des Samens erfolgt also
aus allen Teilen des Körpers, und so erklärt sich auch die Ver-
erbung. Der Same überträgt die Eigenschaften der Eltern, weil
er vom ganzen Menschen her vor der Zeugung etwas spezifi-
sches erhält, bzw. spezifisch umgeformt wird, „so zeucht die
matrix den samen des humors an sich von der frau und vom
man, vom herzen, von (der) lebern, vom milz, vom gebein, vom
mark, vom geeder, von musculis, vom blut, vom fleisch und von
allem dem so im ganzen leib ist. dan alles das so ein besonder
stück ist im leib, das hat ein besondern samen. aber die samen
alle von einem ietlichen glid, ist nur ein sam so er zusamen
kompt“ 30). Wir sind heute der Ansicht, daß solche Beeinflussungen
vom Gesamtorganismus her sekundär sind gegenüber den in den
Keimzellen praeformierten Vererbungsträgern, müssen allerdings
zugeben, daß wir über die Beeinflussung der Spermiogenese bzw.
der Ovulation vom Gesamtorganismus her nicht sehr viel wissen.
Die Ergebnisse der heute aktuellen Hormonforschung liegen jeden-
falls in der Richtung, daß sie die Fortpflanzungsvorgänge stärker
im Gesamtorganismus verankern, und gerade beim Menschen
liegen hier noch viele ungeklärte Probleme. Es liegt mir natür-
lich sehr fern, in diese Schriften von 1528 moderne Hormonfor-
schung hineinzudeuten, obwohl jene Samenbildung vom „Liquor

28) I, 254.

29) I, 258.

30) I, 261/2.
 
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