an Kranken mit Schwellenverfahren
87
Im folgenden Fall handelt es sich um eine reine Tastagnosie
im Sinne Wernicke’s.
Fall 200. Frau Ad., 47jährige Hausfrau. Diagnose: Gliom der rechten
Parieto-Occipitalgegend. Leichte Tastagnosie links. Untersuchung an beiden
Handrücken am 10. 14. 12. 1937.
Die Kranke leidet seit Oktober 1936 an Kopfschmerzen und fand sich
zuweilen nicht in der Wohnung zurecht. Der Gang wurde unsicher. Da-
mals wurde eine linksseitige homonyme Hemianopsie festgestellt. Am
18. 8. 1937 Aufnahme in das Robert Koch-Krankenhaus Berlin. Zunächst
fiel die Verlangsamung aller Äußerungen und die Teilnahmslosigkeit auf.
Die Kranke war örtlich und zeitlich orientiert. Die Antworten auf einfache
Fragen und die Ausführung von Aufträgen erfolgen langsam, aber richtig.
Es bestand ein Zählzwang. Die Kranke zählte z. B. immer wieder die
Bretter einer Türe. Sprache und Schrift waren nicht gestört. Beim Lesen
wurden dem Sinn und Klang nach passende Fehler gemacht. Es bestand
leichtes Haften. Körperlich fand sich eine rechtsseitige Hemiparese mit
Pyramidenzeichen. Bei Hantierungen wurde die linke Seite bevorzugt.
Die Kranke konnte ohne Stock gehen. Sensorisch bestand eine links-
seitige Hemianopsie und eine leichte linksseitige Tastagnosie.
Tastsinn: Rechts werden auch kleinste Gegenstände unmittel-
bar erkannt. Links besteht Störung der Bedeutungserkennung.
Z. B. wird ein kleiner Schlüssel von 15 mm Länge als ein „klei-
ner Eisenhaken“ bezeichnet. Der Zeigefinger des Versuchsleiters
wird erst nach langem Abtasten und nachdem er bewegt wurde
erkannt. Der Stoff und die Form eines Gegenstandes wird schnell
und richtig erfaßt. Das Zahlenlesen auf der Haut ist rechts nor-
mal, links aufgehoben. Die Erkennung geführter Fingerbewegun-
gen ist seitengleich. Das Richtungsgefühl für Streichen über die
Haut ist ebenfalls seitengleich.
Schwellenbestimmung: Die Untersuchung an zwei Tagen ergibt bei-
derseits eine gleiche Punktdichte von 18 und annähernd gleiche Punkt-
schwelle der Druckpunkte, rechts (gesund) 2,2 g/mm, links (gestört) 2,4 g/mm.
Auch die Kurven beim statistischen Verfahren stimmen überein. 6 g/mm
werden 90-prozentig, 8 g/mm 100-prozentig wahrgenommen. Die Schmerz-
schwellenkurven sind seitengleich.
Schwellenveränderlichkeit: Beiderseits ergibt der Umstimmungs-
versuch mit zwei Reizstärken über 6 Minuten einen leichten An-
stieg von 2 auf 4 bezw. 5 g/mm. Diese geringe Veränderlichkeit
der Schwelle bewegt sich in normalen Grenzen, wenn man die
Verlangsamung der Antworten in Betracht zieht.
Die Kranke hat eine linksseitige Tastagnosie, die vor allein
in der Aufhebung des Zahlenerkennens in Erscheinung tritt. Da-
bei sind die Schwellen völlig normal, und auch die geringe
Schwellenveränderlichkeit ist auf beiden Körperseiten gleich.
87
Im folgenden Fall handelt es sich um eine reine Tastagnosie
im Sinne Wernicke’s.
Fall 200. Frau Ad., 47jährige Hausfrau. Diagnose: Gliom der rechten
Parieto-Occipitalgegend. Leichte Tastagnosie links. Untersuchung an beiden
Handrücken am 10. 14. 12. 1937.
Die Kranke leidet seit Oktober 1936 an Kopfschmerzen und fand sich
zuweilen nicht in der Wohnung zurecht. Der Gang wurde unsicher. Da-
mals wurde eine linksseitige homonyme Hemianopsie festgestellt. Am
18. 8. 1937 Aufnahme in das Robert Koch-Krankenhaus Berlin. Zunächst
fiel die Verlangsamung aller Äußerungen und die Teilnahmslosigkeit auf.
Die Kranke war örtlich und zeitlich orientiert. Die Antworten auf einfache
Fragen und die Ausführung von Aufträgen erfolgen langsam, aber richtig.
Es bestand ein Zählzwang. Die Kranke zählte z. B. immer wieder die
Bretter einer Türe. Sprache und Schrift waren nicht gestört. Beim Lesen
wurden dem Sinn und Klang nach passende Fehler gemacht. Es bestand
leichtes Haften. Körperlich fand sich eine rechtsseitige Hemiparese mit
Pyramidenzeichen. Bei Hantierungen wurde die linke Seite bevorzugt.
Die Kranke konnte ohne Stock gehen. Sensorisch bestand eine links-
seitige Hemianopsie und eine leichte linksseitige Tastagnosie.
Tastsinn: Rechts werden auch kleinste Gegenstände unmittel-
bar erkannt. Links besteht Störung der Bedeutungserkennung.
Z. B. wird ein kleiner Schlüssel von 15 mm Länge als ein „klei-
ner Eisenhaken“ bezeichnet. Der Zeigefinger des Versuchsleiters
wird erst nach langem Abtasten und nachdem er bewegt wurde
erkannt. Der Stoff und die Form eines Gegenstandes wird schnell
und richtig erfaßt. Das Zahlenlesen auf der Haut ist rechts nor-
mal, links aufgehoben. Die Erkennung geführter Fingerbewegun-
gen ist seitengleich. Das Richtungsgefühl für Streichen über die
Haut ist ebenfalls seitengleich.
Schwellenbestimmung: Die Untersuchung an zwei Tagen ergibt bei-
derseits eine gleiche Punktdichte von 18 und annähernd gleiche Punkt-
schwelle der Druckpunkte, rechts (gesund) 2,2 g/mm, links (gestört) 2,4 g/mm.
Auch die Kurven beim statistischen Verfahren stimmen überein. 6 g/mm
werden 90-prozentig, 8 g/mm 100-prozentig wahrgenommen. Die Schmerz-
schwellenkurven sind seitengleich.
Schwellenveränderlichkeit: Beiderseits ergibt der Umstimmungs-
versuch mit zwei Reizstärken über 6 Minuten einen leichten An-
stieg von 2 auf 4 bezw. 5 g/mm. Diese geringe Veränderlichkeit
der Schwelle bewegt sich in normalen Grenzen, wenn man die
Verlangsamung der Antworten in Betracht zieht.
Die Kranke hat eine linksseitige Tastagnosie, die vor allein
in der Aufhebung des Zahlenerkennens in Erscheinung tritt. Da-
bei sind die Schwellen völlig normal, und auch die geringe
Schwellenveränderlichkeit ist auf beiden Körperseiten gleich.