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Weizsäcker, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1917, 2. Abhandlung): Über die Energetik der Muskeln und insbesondere des Herzmuskels sowie ihre Beziehung zur Pathologie des Herzens — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.34625#0020
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20 (B. 2)

V. VON WEIZSÄCKER:

und Wirkungsweise einer gewissen ,,giftig" wirkenden Substanz
kennt und nunmehr die thermodynamischen Effekte dieser Sub-
stanz ermittelt, so muß sich ja ohne weiteres ergeben, wie einer-
seits jener bekannte Angriffspunkt, andererseits die Funktionen
der Arbeitsleistung und Wärmebildung untereinander Zusammen-
hängen. Häufig allerdings wird der Angriffspunkt unsicher bleiben.
Eine Unterscheidung der Wirkungen auf das die Muskelfasern um-
spinnende Nervenfasernetz und auf die Muskelfaser selbst ist eine
besonders am Herzen fast unlösbare Aufgabe. Man hat sich dann
so auszudrücken: Wir unterscheiden nicht verschiedene Lokal-
wirkungen, -sondern verschiedene Arten von Zustandsänderungen
der Organe.
Obwohl derartige Versuche mit der Physiologie des Stoff-
wechsels und den Fragen der Toxikologie eng verbunden sind,
werden diese im folgenden nur gestreift werden, soweit dies das
Interesse der energetischen Hauptfrage erfordert.

Die Betrachtung der wichtigsten Reaktion des Muskels, der
Oxydation, muß zunächst nach der allgemeinen Bedeutung der
Verbrennungen für die Funktion fragen. Es gab eine Zeit, da
HERMANN der Meinung sein konnte, der Umfang der Verbren-
nungen sei unabhängig von der mechanischen Tätigkeit des Muskels.
Damals konnte YEO schon zeigen, daß im Herzmuskel die Reduk-
tion des Oxyhaemoglobins sechsmal schneller erfolgte, wenn das
Herz schlug, als wenn es Stillstand. Seitdem beweist ein unüber-
sehbares Material, daß die Oxydationsgeschwindigkeit vor allem
andern beherrscht wird von der Stärke und Zahl der Erregungen,
überdies von der Belastung der Muskeln und daher auch von der
durch Belastung bedingten mechanischen Leistung der Zusammen-
ziehungen. Allgemein lassen die bisherigen Ergebnisse sich dahin
zusammenfassen, daß der Eintritt von Erregungen durchaus
maßgebend ist und daß demgegenüber die gewöhnlichen reaktions-
kinetischen Bedingungen chemischer Vorgänge, wie Temperatur,
Konzentration des Sauerstoffes, des Zuckers, weit an Bedeutung
zurücktreten. Der chemische Vorgang der Oxydationen steht
somit unter der Herrschaft eines auslösenden Vorganges. Die
Oxydationsgeschwindigkeit erscheint beherrscht von gewissen
maschinellen Systembedingungen, nur in zweiter Linie beeinflußt
von den gewöhnlichen Bedingungen der Reaktionskinetik.
 
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