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Weizsäcker, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1917, 2. Abhandlung): Über die Energetik der Muskeln und insbesondere des Herzmuskels sowie ihre Beziehung zur Pathologie des Herzens — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.34625#0025
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Über die Energetik der Muskeln.

(B. 2) 25

Vorgänge erhöht oder herabsetzt. — Betrachtet man jedoch die
Gesamtbilanz der energetischen Vorgänge bei fehlenden Oxy-
dationen, so scheint der Wegfall der den Kontraktionen nachfol-
genden Wärmebildung darauf hinzuweisen, daß für eine kurze
Zeit eine gegebene Arbeitsmenge mit unternormalem Energie-
verbrauch geleistet wird, also eine Erhöhung des Nutzeffekts be-
steht, die sich allerdings mit baldigem Erlöschen jeder Arbeits-
fähigkeit bezahlt macht. Erhöhungen hat schon METZNER am
absterbenden Skeletmuskel wahrgenommen. Für den Kaltblüter
besteht somit eine weitgehende Unabhängigkeit der Muskelfunktion
von der Versorgung mit Sauerstoff. Darin liegt für ihn ein großes
Moment der Zweckmäßigkeit. Auch ohne eine völlig gesicherte
und reichliche Sauerstoffversorgung, z. B. unter Wasser, vermag
der Kaltblüter plötzlich gestellten Anforderungen an seine Beweg-
lichkeit eine Zeitlang zu entsprechen, seinen gesamten Bewegungs-
apparat einzusetzen. Die größere Empfindlichkeit der Warmblüter-
muskeln gegen Sauerstoffmangel dagegen steht im Einklang mit
ihrem unendlich vollkommeneren Atmungs- und Zirkulations-
system, die ihm eine weniger sprunghafte und viel gleichmäßiger
fortlaufende Ausübung motorischer Funktionen gestatten. In-
dessen können bei plötzlichen Gewaltanstrengungen vielleicht auch
hier Momente eintreten, in denen die Muskeln von ihrer allerdings
beschränkten Fähigkeit zur Anoxybiose Gebrauch machen. Ähn-
liches hat ZuNTZ von jeher vermutet.
Obwohl quantitativ nicht ins Gewicht fallend, gehört zur
Energetik der Anoxybiose streng genommen auch die Beziehung
zwischen Sauerstoffmangel und Energie des Erregungsvorganges
und der elektrischen Erscheinungen. Daß der Erregungsvorgang
durch Sauerstoffmangel nicht wesentlich beeinträchtigt sein kann,
beweist schon die Tatsache des sauerstoffrei schlagenden Flerzens
und zuckenden Muskels als solche. Ferner läßt sich auch zeigen,
daß die Schwelle elektrischer Induktionsreize durch Cyanbehand-
lung nicht merklich herabgesetzt wird. Auch das Elektrogramm
des Cyanherzens ist, wie man sich leicht überzeugen kann, das des
normalen Herzens (eigene Beobachtung). Die Produktion
elektrischer Energie und der mit ihr zusammenhän-
gende Erregungsvorgang dürfte von Oxydationen also
ebenso unabhängig sein, wie die Kontraktion und die
initiale Wärmebildung. Völlig verfehlt ist die Vorstellung,
als ob die elektrische Schwankung ein Ausdruck der Intensität
 
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