4 (B. 6)
H. BLUATSCHLi:
Gewiß ist reines Forschen endlos im Umfang und autonom
in der Zielsetzung, mit anderen Worten sich Selbstzweck. Der
Forscher ist ,,ein absolut freier Herr über alle Dinge", die er zu
begreifen vermag. Aber wo der Forscher sich zugleich als Lehrer
betätigt, der nicht nur kommende Forschergenerationen auszu-
bilden hat, sondern Erzieher einer Jugend ist, die im praktischen
Leben bestehen soll, da hat er noch anderes mit zu berücksichtigen
als nur die Endlosigkeit und Selbstzweckorientierung der Wissen-
schaft. Diese Jugend — und sie macht den weitaus größten Teil
der Studierenden aus und greift über die Kreise der zünftigen
Hochschüler weit hinaus — soll umgekehrt die Wissenschaft als
Dienerin des vollwertigen wahrhaftigen Lebens kennen lernen,
soll sie erfassen mitten im Fluß der gesamten Wirklichkeit. Diese
Betrachtungsart verlangt wie alle dienende Arbeit Selbstverleug-
nung, Verzicht und Opfer und zwar nicht aus dem Zwang des
Afüssens, sondern aus dem freien Willen, der die Größe der Auf-
gabe erfaßt und sich ihr mit voller Liebe und Hingabe widmet.
Ist es die Aufgabe jeder Erziehungskunst zu selbständigem Denken
und Handeln auszubilden, so in ganz besonders hohem Grade
gerade der Erziehung auf den Hochschulen. Gerade deshalb kann
es sich nicht darum handeln die verwirrende Fülle aller einzelnen
Erkenntnistatsachen, mit denen unsere Wissenschaften operieren,
vor der lernbegierigen Jugend auszuschütten, sondern weise Be-
schränkung und Auswahl zu treffen und zwar nicht schablonen-
haft und stereotyp, sondern in steter Berücksichtigung der Lebens-
werte, welche die Jugend in sich trägt, wenn sie auf die Hochschulen
kommt und in Anpassung an die wechselnden Bedürfnisse des
praktischen und geistigen Lebens der Nation. Sehr vieles was der
akademische Lehrer heute vorträgt, bräuchte er nicht vorzutragen,
wenn er mehr darauf abstellen würde in den jungen Menschen
den Blick für das Wesentliche energischer zu schulen, reiferes Ver-
ständnis hervorzubringen und den also zu größerer Selbständigkeit
Erzogenen mehr auf die gedruckten Quellen der Wissenschaft und
auf private Durchdringung des Stoffes hinzuweisen, da dem also
Vorbereiteten vieles Tatsächliche mit größerem Nutzen aus eigenem
Erarbeiten, denn durch das Wort des Lehrers nützlicher Besitz
wird. In dieser Einschätzung des Lehrwertes unserer Wissen-
schaften sind wir rückständig geworden, arbeiten zum Teil mit
veralteten Methoden und erleben deshalb auch nicht mehr oft und
tief genug die Wahrheit des Wortes: ,,daß wir im Lehren lernen".
H. BLUATSCHLi:
Gewiß ist reines Forschen endlos im Umfang und autonom
in der Zielsetzung, mit anderen Worten sich Selbstzweck. Der
Forscher ist ,,ein absolut freier Herr über alle Dinge", die er zu
begreifen vermag. Aber wo der Forscher sich zugleich als Lehrer
betätigt, der nicht nur kommende Forschergenerationen auszu-
bilden hat, sondern Erzieher einer Jugend ist, die im praktischen
Leben bestehen soll, da hat er noch anderes mit zu berücksichtigen
als nur die Endlosigkeit und Selbstzweckorientierung der Wissen-
schaft. Diese Jugend — und sie macht den weitaus größten Teil
der Studierenden aus und greift über die Kreise der zünftigen
Hochschüler weit hinaus — soll umgekehrt die Wissenschaft als
Dienerin des vollwertigen wahrhaftigen Lebens kennen lernen,
soll sie erfassen mitten im Fluß der gesamten Wirklichkeit. Diese
Betrachtungsart verlangt wie alle dienende Arbeit Selbstverleug-
nung, Verzicht und Opfer und zwar nicht aus dem Zwang des
Afüssens, sondern aus dem freien Willen, der die Größe der Auf-
gabe erfaßt und sich ihr mit voller Liebe und Hingabe widmet.
Ist es die Aufgabe jeder Erziehungskunst zu selbständigem Denken
und Handeln auszubilden, so in ganz besonders hohem Grade
gerade der Erziehung auf den Hochschulen. Gerade deshalb kann
es sich nicht darum handeln die verwirrende Fülle aller einzelnen
Erkenntnistatsachen, mit denen unsere Wissenschaften operieren,
vor der lernbegierigen Jugend auszuschütten, sondern weise Be-
schränkung und Auswahl zu treffen und zwar nicht schablonen-
haft und stereotyp, sondern in steter Berücksichtigung der Lebens-
werte, welche die Jugend in sich trägt, wenn sie auf die Hochschulen
kommt und in Anpassung an die wechselnden Bedürfnisse des
praktischen und geistigen Lebens der Nation. Sehr vieles was der
akademische Lehrer heute vorträgt, bräuchte er nicht vorzutragen,
wenn er mehr darauf abstellen würde in den jungen Menschen
den Blick für das Wesentliche energischer zu schulen, reiferes Ver-
ständnis hervorzubringen und den also zu größerer Selbständigkeit
Erzogenen mehr auf die gedruckten Quellen der Wissenschaft und
auf private Durchdringung des Stoffes hinzuweisen, da dem also
Vorbereiteten vieles Tatsächliche mit größerem Nutzen aus eigenem
Erarbeiten, denn durch das Wort des Lehrers nützlicher Besitz
wird. In dieser Einschätzung des Lehrwertes unserer Wissen-
schaften sind wir rückständig geworden, arbeiten zum Teil mit
veralteten Methoden und erleben deshalb auch nicht mehr oft und
tief genug die Wahrheit des Wortes: ,,daß wir im Lehren lernen".