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Bluntschli, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1919, 6. Abhandlung): Anatomie als pädagogische Aufgabe — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.36558#0009
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Anatomie als pädagogische Aufgabe.

(B. 6) 9

änderungen ausführlicher zu behandeln, aber ich möchte wenig-
stens andeuten, daß mir die Verbesserung nicht aus der Auflösung
der Anatomie in eine Reihe selbständiger Lehrstühle mit speziel-
leren Lehraufgaben gegeben erscheint — eine solche selbständige
Abgliederung kann vielleicht für die Histologie und feinere mikro^
skopische Anatomie (so wie es .in Österreich und an einzelnen
großen deutschen Universitäten der Fall ist) in Frage kommen,
obgleich ich auch diese Lösung nicht für eine ideale halte — viel
mehr innere Berechtigung erscheint mir für ein gewisses Parallel-
system gegeben zu sein, d. h. also für nebeneinander gestellte Lehr-
stühle mit im großen ganzen gleichen Lehraufgaben, auf welchem
Wege allein die Rückführung der großen Hörer- und Praktikanten-
zahlen auf gesundere Verhältnisse möglich wird. Den altbekannten
Einwand, daß dies eine Masse neuer Institute und enorm ver-
mehrte Kosten bedinge, kann ich nicht ohne weiteres anerkennen,
da ich in dem bestehenden System, der unbedingt einheitlichen
Leitung großer Institute durch eine stets gleichbleibende persön-
liche Spitze nicht die alleinige gesunde Möglichkeit der Lösung zu
sehen vermag. Bei größerem mit und für einander leben, wie es
heute die entscheidende Aufgabe der Nation geworden ist, können,
sofern nur der gute Wille vorhanden ist, sehr wohl andere Pfade
beschritten werden, die bisher ungewohnte waren. Jedenfalls muß
vom pädagogischen Standpunkte aus dem System vermehrter
Parallelkurse mit beschränktem Teilnehmerkreis (ebensowohl für
die Praktika, wie für die Vorlesungen, denen sowieso Kolloquien
in regelmäßiger Folge anzureihen sind) unbedingt der Vorzug
gegeben werden. Das Verlangen der Jugend nach einem weniger
an fabrikmäßiges Arbeiten erinnernden Unterricht ist vollauf
berechtigt und wer die Not der Jungen kennt, wer weiß wie sehr
bei ihnen das Sehnen nach näherem Kontakt mit ihren Lehrern,
nach stärkerer persönlicher Beeinflussung und nach intensiverer
Selbstbeteiligung an ihnen gestellten Bildungsaufgaben ist, der
wird jener Erkenntnis der pädagogischeren Lösung der Organi-
sationsfrage tiefere Berechtigung zuerkennen müssen als dem Ar-
gument, daß sich der bisher begangene Weg grundsätzlich bewährt
habe und nur in einzelnem der Reform bedürftig sei. Auch das
Finanzproblem, das mit diesen Forderungen auftaucht, ist nicht
unlösbar, sobald nur der Geist der materiellen Selbstbescheidung,
wie es durchaus zu wünschen ist, auch bei vielen begünstigten
akademischen Lehrern in selbständigen Stellungen wieder in höhe-
 
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