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Bluntschli, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1919, 6. Abhandlung): Anatomie als pädagogische Aufgabe — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.36558#0016
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16 (B. 6)

H. BLUNTSCHLi:

Daß er den ganzen Menschen auf Muskeln und Gelenke persönlich
durchpräpariert hat, wie es heute als Aufgabe des ersten Präparier-
kurses gilt, halte ich nicht für unbedingt notwendig, aber selbst-
verständlich soll er alle Teile des menschlichen Bewegungsapparates
am natürlichen Objekt gründlich durchzustudieren Gelegenheit
haben. Dazu muß das Praktikum ebenfalls dienen, indem am Ende
eines jeden Kurses, die am Nachmittag von den verschiedenen
Präparanten angefertigten Objekte, die natürlich alle sich auf ein
und denselben Körperteil zu beziehen haben, gemeinsam mit den
Lehrern durchbesprochen werden. Bei diesen Übungen hielte ich
es durchaus für zweckmäßig, auch tierische Objekte heranzuziehen;
an denen kann das Technische ebensogut gelernt werden wie am
menschlichen Leichnam und für die geistige Durchdringung des
Stoffes schafft gerade der Vergleich in morphologischer wie physio-
logischer Hinsicht wesentliche Förderung, sobald nur der Lehrer
versteht, das einzelne immer in seiner Rolle für den Gesamt-
organismus zu erfassen.
Greifen wir einmal ein Beispiel heraus. Die durch Demon-
strationsstudium und häusliche Vorbereitung in den Lernstoff ein-
geführten Studierenden sollen an einem Nachmittag Skelett und
Muskulatur des Fußes praktisch kennen lernen. In Zweiergruppen
werden ihnen bestimmte Objekte zugewiesen. Die einen präpa-
rieren den Gelenkapparat des Fußgelenkmechanismus, andere die
Bänder des Fußrückens, dritte die Fußsohle, andere die vorderen
und seitlichen Muskeln des Unterschenkels und des Fußrückens,
andere die hinteren Muskeln des Unterschenkels, weitere die Mus-
keln der Fußsohle. Die Bisherigen erfüllen ihre Aufgabe an mensch-
lichen Teilen. Aber andere Gruppen werden statt dessen tierische
Teile, etwa von einem typischen vierfüßigen Säugetier, dann von
einem ausgesprochenen Springer (etwa Känguru), von einem
kletternden Affen zugeteilt. In drei Stunden läßt sich die präpara-
torische Aufgabe jeder Gruppe wohl erfüllen. Die vierte Stunde
aber dient nun der gemeinsamen geistigen Durcharbeitung. Daß
hierbei das menschliche Objekt ganz im Vordergrund zu stehen hat,
ist einleuchtend, dieses wird gemeinsam in Frage und Antwort
eingehend behandelt und zugleich können in sehr anschaulicher
Weise die Tierpräparate das physiologische Verständnis beleben.
Gute Skelettobjekte derselben Tierformen müssen selbstverständ-
lich zum Vergleich bereit liegen. Ein solcher Kursnachmittag kann
eine Fülle lebendigen Wissens zeitigen, er hat die technische Fertig-
 
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