20 (B. 6)
H. BLUNTSCHLI:
geht auf die wechselnden Spannungsverhältnisse in der Kapsel-
wand und den damit zusammenhängenden Grad des Blutzuflusses
und wenn er auch dabei nicht stehen bleibt, sondern weiter frägt,
ja warum ist denn die dauernde, ununterbrochene Durchspülung
solcher Kapselwände so unbedingt notwendig, wo doch das eigent-
liche Kapselgewebe gewiß nicht zu den Geweben mit besonders
großer Vitalität gehört, und dann auf die Nervenendapparate in
den Gelenkkapseln und den für die Bewegungsleistungen des
Gesamtorganismus so wichtigen Gelenksinn zu sprechen kommt,
dann hat er wertvolle Zusammenhänge aufgedeckt und sich nicht
in haarspaltender Einzelheit verloren. In solcher Art und Weise
muß die geistige Befruchtung auf dem Präpariersaal erfolgen und
damit dieses auch unter den heutigen erschwerten Verhältnissen
möglich wird, wo unmöglich der Lehrer mit jedem Präparanten
einzeln solches durchbesprechen kann, erhebe ich das Verlangen
auch in die Präparierübungen regelmäßige Kolloquien in kleineren
Gruppen einzufügen, die der gemeinsamen Durchbesprechung
dienen. Es ist wohl seit längerem üblich, die Abgabe der Präparate
an eine kleine Prüfung über das vollendete Objekt zu binden. Dieser
Gedanke ist gut, aber auch da hat die Überflut der Präparanten
zumeist etwas anderes daraus gemacht, als was das eigentliche
Ziel gewesen. Einige Stichproben müssen genügen, und es ist mehr
ein Abfragen als ein gemeinsames Besprechen daraus geworden.
Sollten wir zum einsemestrigen Präpariersaalunterricht kommen,
der eine erhebliche Minderung der Präparantenzahl bringen müßte,
dann ergibt sich sicher die Möglichkeit jener kolloquialen Bespre-
chungen in Gruppen von sagen wir 10 — 15 Studierenden, aus wel-
chen ich mir entschiedene Hebung der anatomischen Durchbildung
verspreche, dann wird wieder die praktische Präpariersaalerfahrung
die beste und eigentliche Vorbereitung auf die den anatomischen
Unterricht abschließende Prüfung im Physikum und die entschei-
dende Stätte werden, wo exakte Beobachtung und geistige Durch-
dringung des so reichen Tatsachenstoffes keimt.
Was die Vorlesungen über systematische Anatomie anbe-
trifft, so werden wir ohne solche, meiner Meinung nach, nie aus-
komnren können, aber auch sie sind zu entlasten von der Schil-
derung vieler Einzelheiten und nicht als lebende Lehrbücher, die
alles und jedes bringen, zu gestalten. Sie müssen die großen Zu-
sammenhänge prägnant herausschälen, die physiologischen Be-
ziehungen der Strukturen lehren, und dürfen sich nicht im Beschrei-
H. BLUNTSCHLI:
geht auf die wechselnden Spannungsverhältnisse in der Kapsel-
wand und den damit zusammenhängenden Grad des Blutzuflusses
und wenn er auch dabei nicht stehen bleibt, sondern weiter frägt,
ja warum ist denn die dauernde, ununterbrochene Durchspülung
solcher Kapselwände so unbedingt notwendig, wo doch das eigent-
liche Kapselgewebe gewiß nicht zu den Geweben mit besonders
großer Vitalität gehört, und dann auf die Nervenendapparate in
den Gelenkkapseln und den für die Bewegungsleistungen des
Gesamtorganismus so wichtigen Gelenksinn zu sprechen kommt,
dann hat er wertvolle Zusammenhänge aufgedeckt und sich nicht
in haarspaltender Einzelheit verloren. In solcher Art und Weise
muß die geistige Befruchtung auf dem Präpariersaal erfolgen und
damit dieses auch unter den heutigen erschwerten Verhältnissen
möglich wird, wo unmöglich der Lehrer mit jedem Präparanten
einzeln solches durchbesprechen kann, erhebe ich das Verlangen
auch in die Präparierübungen regelmäßige Kolloquien in kleineren
Gruppen einzufügen, die der gemeinsamen Durchbesprechung
dienen. Es ist wohl seit längerem üblich, die Abgabe der Präparate
an eine kleine Prüfung über das vollendete Objekt zu binden. Dieser
Gedanke ist gut, aber auch da hat die Überflut der Präparanten
zumeist etwas anderes daraus gemacht, als was das eigentliche
Ziel gewesen. Einige Stichproben müssen genügen, und es ist mehr
ein Abfragen als ein gemeinsames Besprechen daraus geworden.
Sollten wir zum einsemestrigen Präpariersaalunterricht kommen,
der eine erhebliche Minderung der Präparantenzahl bringen müßte,
dann ergibt sich sicher die Möglichkeit jener kolloquialen Bespre-
chungen in Gruppen von sagen wir 10 — 15 Studierenden, aus wel-
chen ich mir entschiedene Hebung der anatomischen Durchbildung
verspreche, dann wird wieder die praktische Präpariersaalerfahrung
die beste und eigentliche Vorbereitung auf die den anatomischen
Unterricht abschließende Prüfung im Physikum und die entschei-
dende Stätte werden, wo exakte Beobachtung und geistige Durch-
dringung des so reichen Tatsachenstoffes keimt.
Was die Vorlesungen über systematische Anatomie anbe-
trifft, so werden wir ohne solche, meiner Meinung nach, nie aus-
komnren können, aber auch sie sind zu entlasten von der Schil-
derung vieler Einzelheiten und nicht als lebende Lehrbücher, die
alles und jedes bringen, zu gestalten. Sie müssen die großen Zu-
sammenhänge prägnant herausschälen, die physiologischen Be-
ziehungen der Strukturen lehren, und dürfen sich nicht im Beschrei-