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Bluntschli, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1919, 6. Abhandlung): Anatomie als pädagogische Aufgabe — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.36558#0023
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Anatomie als pädagogische Aufgabe.

(B. 6) 2:

wohl so allgemein üblich, daß dies hier übergangen werden kann.
Wer sich die Aluhe nimmt, eine solche Sammlung von Demon-
strationspräparaten anzulegen, gute Skizzen und Erklärungen zu
jedem Einzelpräparat beizugehen, kann sich viel ständig wieder-
kehrende Unterweisungsarbeit sparen, denn alle einsichtigen Stu-
dierenden benutzen solche aulgestellte Demonstrationen mit gro-
ßem Fleiß zum Studium, und sie lernen dabei mehr, als wenn der
Schwarm der Lernbeflissenen sich um den Lehrer drängt und jeder
nur einen kurzen Blick in das Mikroskop werfen kann. Institute,
welche diese Methode seit längerem üben, haben denn auch schon
prächtige Demonstrationssammlungen mikroskopischer Objekte im
Besitze.
Nähert sich der Zeitpunkt der ärztlichen Vorprüfung, dann
pflegt der Studierende noch zwei Vorlesungen zu absolvieren, eine
solche über Entwicklungsgeschichte und eine andere über
topographische Anatomie. Beide Fächer stellen an die Dar-
stellungskunst des Lehrenden sehr erhebliche Ansprüche, beide
sollten nicht aus der Denkart des Spezialisten, sondern unter dem
Gesichtskreis der großen geistigen und nun zum letztenmal an-
setzenden und am intensivsten durchgeführten Synthese stehen.
Die Wege sind dabei selbstverständlich verschiedene. In der
Entwicklungsgeschichte (Embryologie) ist das Hauptgewicht
auf die allgemeine Ontogenie, auf Befruchtung, Keimblätter-
bildung, Herausgestaltung der Körperanlage und Organe, Bildung
der Fruchthüllen usw. zu verlegen, aber es muß unbedingt gefor-
dert werden, daß hier auch das Vererbungsproblem, die Histo-
genese und Entwicklungsmechanik voll zu ihrem Rechte kommen.
Daß dabei nicht nur auf das menschliche Objekt abgestellt werden
darf, sondern vieles aus breitestem Rahmen heraus erst zu plasti-
scher Herausbildung kommen kann, ist unbedingt zu betonen.
Ich kenne keine herrlichere Lehraufgabe für den Anatomen, als diese
Teildisziplin von der Warte zugleich des Naturforschers und des
Arztes aus zu lehren. Nur der sollte sich an diese Aufgabe heran-
wagen, der sie aus der Fülle seiner Gesamterfahrungen über das
biologische Geschehen heraus zu erfassen vermag. Wer hier der
Versuchung erliegt, im Beschreiben stecken zu bleiben, der wird
dem pädagogischen Ziele nie und nimmer gerecht. Er hat jetzt
schon geistig reifere und selbständiger denkende Hörer vor sich,
bei denen er begriffliche und formale Vorkenntnisse voraussetzen
darf, um so mehr aber nunmehr die großen Gesetze des lebendigen
 
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