30 (B. 6)
II. BLUNTSCHLi:
ich für kleinlich und falsch, und warum sollen die Tüchtigen und
Edlen, jene, die die Hoffnung der Zukunft sind, um solcher betrüb-
licher Erfahrungen wegen das Beste entbehren oder nur in ver-
mindertem Grade erfahren, was der Lehrer dem reiferen Jünger
bieten kann ? Wo nicht mit größtem gegenseitigen Vertrauen
gearbeitet wird, nicht ein reger geistiger Austausch stattfindet,
der keine reservatio mentalis et hominis kennt, da muß jener
Gelehrtengeist des Prioritätsgezänkes und der Selbstsucht wachsen,
der die Wissenschaften niemals vorwärts gebracht hat und weiteren
Kreisen der Nation immer unverständlich bleibt. Hohe geistige
Ziele und das Streben nach menschlicher Größe, die gehören doch
zusammen, trotz aller wenn und aber; und die Gegenwart hat ein
geschärftes Empfindungsvermögen dafür, daß wir solches Bemühen
etwas allzu leicht genommen haben.
Stärkere Anleitung, als es bisher meist der Fall war, bedürfen
unsere jungen Forscher auf dem Gebiete ihrer Lehrtätigkeit.
Ich habe schon oben den Gedankengang als oberflächlich gekenn-
zeichnet, daß man zum Lehrer eben nur geboren sein könne. Die
größere oder geringere Begabung ist wohl vorhanden, aber mit
gutem Willen und Beharrlichkeit läßt sich doch manche vorhandene
Schwäche schließlich beheben und die Jungen haben nicht un-
recht., wenn viele den Gedanken in sich tragen, man mache es ihnen
aus Trägheit und Bequemlichkeit nicht gerade leicht über die
Schwierigkeiten hinwegzukommen, die jeder Lehrer insbesondere
im Anfang seiner Lehrtätigkeit kennen lernt. Die pädagogische
Neuorientierung, zu der wir Hochschullehrer allmählich gedrängt
werden, bezieht sich tatsächlich nicht nur auf das Unterrichten
der Studierenden, sondern auch auf stärkeren Erfahrungsaustausch
in pädagogischer Hinsicht mit unseren jüngeren Hilfskräften und
Mitarbeitern. Es hat sich diesen gegenüber vielerorts eine innere
Entfremdung herausgebildet, die man als unvermeidbar anzusehen
sich angewöhnt hat, und dann wundern sich die Älteren, daß die
Jungen sich unzufrieden fühlen, daß Neid auf der einen, Furcht
auf der anderen Seite Platz greift. Die Ursache dieser Verhältnisse
wird von vielen nur auf der wirtschaftlichen Seite gesehen. Sie
liegt meines Erachtens in höherem Grade auf anderem Gebiete
und ist eine Teilerscheinung unserer ganzen gegenseitigen Orien-
tierung von Mensch zu Mensch, die eine natürlichere und frischere
werden soll. Am freiesten und frohesten werden ganze Menschen
in der selbstlosen Hingabe für das Wohl anderer Menschen. Und
II. BLUNTSCHLi:
ich für kleinlich und falsch, und warum sollen die Tüchtigen und
Edlen, jene, die die Hoffnung der Zukunft sind, um solcher betrüb-
licher Erfahrungen wegen das Beste entbehren oder nur in ver-
mindertem Grade erfahren, was der Lehrer dem reiferen Jünger
bieten kann ? Wo nicht mit größtem gegenseitigen Vertrauen
gearbeitet wird, nicht ein reger geistiger Austausch stattfindet,
der keine reservatio mentalis et hominis kennt, da muß jener
Gelehrtengeist des Prioritätsgezänkes und der Selbstsucht wachsen,
der die Wissenschaften niemals vorwärts gebracht hat und weiteren
Kreisen der Nation immer unverständlich bleibt. Hohe geistige
Ziele und das Streben nach menschlicher Größe, die gehören doch
zusammen, trotz aller wenn und aber; und die Gegenwart hat ein
geschärftes Empfindungsvermögen dafür, daß wir solches Bemühen
etwas allzu leicht genommen haben.
Stärkere Anleitung, als es bisher meist der Fall war, bedürfen
unsere jungen Forscher auf dem Gebiete ihrer Lehrtätigkeit.
Ich habe schon oben den Gedankengang als oberflächlich gekenn-
zeichnet, daß man zum Lehrer eben nur geboren sein könne. Die
größere oder geringere Begabung ist wohl vorhanden, aber mit
gutem Willen und Beharrlichkeit läßt sich doch manche vorhandene
Schwäche schließlich beheben und die Jungen haben nicht un-
recht., wenn viele den Gedanken in sich tragen, man mache es ihnen
aus Trägheit und Bequemlichkeit nicht gerade leicht über die
Schwierigkeiten hinwegzukommen, die jeder Lehrer insbesondere
im Anfang seiner Lehrtätigkeit kennen lernt. Die pädagogische
Neuorientierung, zu der wir Hochschullehrer allmählich gedrängt
werden, bezieht sich tatsächlich nicht nur auf das Unterrichten
der Studierenden, sondern auch auf stärkeren Erfahrungsaustausch
in pädagogischer Hinsicht mit unseren jüngeren Hilfskräften und
Mitarbeitern. Es hat sich diesen gegenüber vielerorts eine innere
Entfremdung herausgebildet, die man als unvermeidbar anzusehen
sich angewöhnt hat, und dann wundern sich die Älteren, daß die
Jungen sich unzufrieden fühlen, daß Neid auf der einen, Furcht
auf der anderen Seite Platz greift. Die Ursache dieser Verhältnisse
wird von vielen nur auf der wirtschaftlichen Seite gesehen. Sie
liegt meines Erachtens in höherem Grade auf anderem Gebiete
und ist eine Teilerscheinung unserer ganzen gegenseitigen Orien-
tierung von Mensch zu Mensch, die eine natürlichere und frischere
werden soll. Am freiesten und frohesten werden ganze Menschen
in der selbstlosen Hingabe für das Wohl anderer Menschen. Und