Anatomie als pädagogische Aufgabe.
(B. 6) 31
der größte Segen des Lehrberufes ruht in dieser. Aber jede opfer-
freudige Tätigkeit erlahmt, wenn die Enttäuschungen der Wirk-
lichkeit sich stärker geltend machen als die Impulse des gegen sie
ankämpfenden, sie zu überwinden suchenden Willens. Mit welcher
innerer Freude geht nicht in der Regel der junge Privatdozent an
seine neue Aufgabe und wie groß sind nicht oft schon nach kurzer
Zeit die Enttäuschungen ? Viele von den letzteren wären vermeid-
bar, wenn der Chef und die älteren Kollegen ihm besserere päda-
gogische Berater wären, wenn nicht bisweilen eine fast krankhafte
Scheu bestünde, öfters als älterer Freund zum jüngeren zu sprechen
und aus dem eigenen Erfahrungsschatz des Lehrers so viel als
möglich abzugeben, um ihm sein Wirken zu erleichtern. Das Argu-
ment : wir Älteren haben alles doch auch selbst aus der Erfahrung
lernen müssen, ist oberflächlich und gewiß nicht entscheidend
darüber, daß dieser Weg der einzig richtige sei.
Man übersieht, wie sehr sich unsere Hochschulen im Laufe
einer Generation verändert haben, wie sehr sich der Lehrstoff
vermehrte und daß er sich immer weiter vermehren wird, daß also
immer mehr Beschränkung und Auswahl in Betracht kommen
müssen, und daß mit dem Zudrang zum Studium der Hauptlehrer
immer mehr auf die freudige Mitarbeit der jüngeren Lehrkräfte
angewiesen wird, diesen also gegen früher ein erheblich vermehrter
Aufgabenkreis zufällt. Dagegen vermindert sich bei ihnen die für
reine Forschungszwecke verfügbare Zeit; und da wir viel zu viel
die Quantität als die geistige Originalität ihrer Eorschungs-
leistungen, viel zu wenig die oft sehr verschiedenen äußeren
Lebensbedingungen des jüngeren Nachwuchses in Betracht ziehen
(woraus naturgemäß eine gewisse Ungerechtigkeit in der Bewertung
der Persönlichkeiten hervorgeht, — auch wenn sie nicht beab-
sichtigt ist), so hat sich — niemand kann das bestreiten — die
Aufstiegsmöglichkeit außerordentlich erschwert, ein herber und oft
verbitternder Kampf ums Dasein sich geltend gemacht, der in
solcher Schärfe bei natürlicherer Hinnahme der Sachlage weder
notwendig noch berechtigt ist. So ergeht jetzt laut und vernehm-
bar der Ruf nach organisatorischer Umgestaltung der Verfassungen
unserer Universitäten. Aber es liegt viel weniger an den formalen
Bestimmungen und supponiertem bösen Willen — obgleich gewiß
auch da manches besser werden muß und Reformen entschieden
not tun — als an der ungenügenden und zum Teil auch unrichtigen
Einstellung auf das allen Lehrkräften gemeinsame Ziel der
(B. 6) 31
der größte Segen des Lehrberufes ruht in dieser. Aber jede opfer-
freudige Tätigkeit erlahmt, wenn die Enttäuschungen der Wirk-
lichkeit sich stärker geltend machen als die Impulse des gegen sie
ankämpfenden, sie zu überwinden suchenden Willens. Mit welcher
innerer Freude geht nicht in der Regel der junge Privatdozent an
seine neue Aufgabe und wie groß sind nicht oft schon nach kurzer
Zeit die Enttäuschungen ? Viele von den letzteren wären vermeid-
bar, wenn der Chef und die älteren Kollegen ihm besserere päda-
gogische Berater wären, wenn nicht bisweilen eine fast krankhafte
Scheu bestünde, öfters als älterer Freund zum jüngeren zu sprechen
und aus dem eigenen Erfahrungsschatz des Lehrers so viel als
möglich abzugeben, um ihm sein Wirken zu erleichtern. Das Argu-
ment : wir Älteren haben alles doch auch selbst aus der Erfahrung
lernen müssen, ist oberflächlich und gewiß nicht entscheidend
darüber, daß dieser Weg der einzig richtige sei.
Man übersieht, wie sehr sich unsere Hochschulen im Laufe
einer Generation verändert haben, wie sehr sich der Lehrstoff
vermehrte und daß er sich immer weiter vermehren wird, daß also
immer mehr Beschränkung und Auswahl in Betracht kommen
müssen, und daß mit dem Zudrang zum Studium der Hauptlehrer
immer mehr auf die freudige Mitarbeit der jüngeren Lehrkräfte
angewiesen wird, diesen also gegen früher ein erheblich vermehrter
Aufgabenkreis zufällt. Dagegen vermindert sich bei ihnen die für
reine Forschungszwecke verfügbare Zeit; und da wir viel zu viel
die Quantität als die geistige Originalität ihrer Eorschungs-
leistungen, viel zu wenig die oft sehr verschiedenen äußeren
Lebensbedingungen des jüngeren Nachwuchses in Betracht ziehen
(woraus naturgemäß eine gewisse Ungerechtigkeit in der Bewertung
der Persönlichkeiten hervorgeht, — auch wenn sie nicht beab-
sichtigt ist), so hat sich — niemand kann das bestreiten — die
Aufstiegsmöglichkeit außerordentlich erschwert, ein herber und oft
verbitternder Kampf ums Dasein sich geltend gemacht, der in
solcher Schärfe bei natürlicherer Hinnahme der Sachlage weder
notwendig noch berechtigt ist. So ergeht jetzt laut und vernehm-
bar der Ruf nach organisatorischer Umgestaltung der Verfassungen
unserer Universitäten. Aber es liegt viel weniger an den formalen
Bestimmungen und supponiertem bösen Willen — obgleich gewiß
auch da manches besser werden muß und Reformen entschieden
not tun — als an der ungenügenden und zum Teil auch unrichtigen
Einstellung auf das allen Lehrkräften gemeinsame Ziel der