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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph; Schelling, Caroline; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Frank, Erich [Oth.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 1. Abhandlung): Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline in der Neuen Jenaischen Literatur-Zeitung — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32876#0024
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16

Erich Frank :

sind, auf die er, spottend, keinenWerth zu legen scheinen will. Zu diesen nicht
ganz delicat ausgefallenen Nachahmungen müssen wir auch die Vergleichung
des liehenden Paares (S. 96) mit Adam und Eva rechnen, welche so schließt :
„Daß Fernau sich in der Gestalt mit Adam messen durfte, kann nicht be-
hauptet werden ; fürs Erste war er hey weitem nicht so groß, denn von den
Rabbinen wissen wir, daß Adam als Flügelmann jeder Armee Ehre gemacht
haben würde, indem er nicht weniger als hundert Ellen maß ; fürs Zweyte ist
wohl unläugbar der Nabel keine sonderliche Zierde des Menschen, da nun
Adam bekanntlich keinen Nabel hatte, Fernau liingegen allem Vermuthen nach
damit versehen war, so ist auch hierin dem Stammvater ein kleiner Vorzug
nicht abzusprechen. Man weiß aber aus siclrerer Hand, daß Charlotte an diesen
Umstand noch mit keiner Silbe gedacht hatte, ja daß wenn auch hundert
schöne Riesen ohne Nabel um sie geworben hätten, sie doch Fernau’n, der
nur wenig über fünf Fuß maß, schöner als sie alle würde gefunden haben.“
Es scheint nicht recht passend, indem man das Bild eines unschuldigen
Mädchens anschaulich zu machen gesonnen ist, mit einer solchen Reminiscenz
dazwischen zu treten. Ebensovvenig will der ,,dicke Erdbeerftadender das
Knie des Liebhabers bey der ersten Erklärung befleckt hat, und den die
Mutter anfangs für Blut ansieht, eine angenehme Vorstellung gewähren. Man
bescheidet sich indessen hierüber : sollte der Vf. es auch in den launichten
Einfällen hie und da verfehlt haben, so sind die satirischen Ausfätle desto
treffender. Er bedient sich dabey durchaus schlagender Waffen. Die fatale
Kusine z. B. muß eine Sitzung halten, in welcher ein Sonett von Tiek de-
clamirt, sodann ein Ivapitel aus Jacob Böhm vorgelesen wird, darauf die
Andacht zu Kreuz von Calderone, „durch deren Übersetzung sich Schlegel ein
unsterbliches Verdienst um die deutschen Christen erworben hat“, zuletzt
einige Lieder von Novalis. Die Götter Griechenlands von Schiller muß sie
zum Gegenstand eines glänzen sollenden Tischgesprächs nehmen, die Pfarrers-
tochter aber mit Delille’s Dithyrambe sur Vimmortalite de l’ame „die Gölter“
zum schweigen bringen. Man begreift leicht, daß im Munde der fatalen
Kusine jene armen Leute dem Geschick nicht entgehen können, Fratzen zu
werden, Delille’n hingegen die Unsterblichkeit, die er der Seele überhaupt zu-
sichert, auch für seine Person, durch das Medium der schönen Pfarrerstochter
zugesichert wird. Andere sinnreiche, obschon nicht neue Züge, z. B. wie der
Liebhaber die ihm nur zum Theil sichtbare Gestalt des Mädchens durcli zier-
liche Schlüsse vollends enträthselt, wo es unter anderen heißt : „die beiden
Enden der grünen Schleife (womit der Hut zugebunden war) hingen nicht gerade
herunter, sondern ihre Richtung hielt ungefähr das Mittel zwischen horizonlal
und perpendicular, folglich hatte das Mädchen einen schön geivölbten Busen“,
wollen wir übergehen, um über dem Originatroman die Erzählungen und Anek-
doten nicht ganz zu versäumen, die zwar größtentheils schon oft gelesen und
wieder verarbeitet, selbst aus Zeitungsblättern gezogen sind, allein durch den
neuenVortrag auclr neue Unterhaltung und besonders so viel Abwechselung ge-
währen, als man nur verlangen mag. Sie fangen mit einem tJbermaß mensch-
lichen Elends an, welches das körperliche Mitgefühl des unempfmdlichsten
Lesers schmerzhaft genug erregen wird. Darauf folgt eine Nachricht über das
Entstehen und die ersten Vorstellungen von liacine’s Esther; dann ein Aus-
zug aus Dr. Schads Klosterleben u. s. w. Daß Racine mit der gelrörigen
Superiorität behandelt wird, versteht sich von selbst; Iir. v. K. bringt uns
 
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