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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph; Schelling, Caroline; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Frank, Erich [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 1. Abhandlung): Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline in der Neuen Jenaischen Literatur-Zeitung — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32876#0036
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Erich Frank :

ihr auffallend ; dennoch kann man nicht läugnen, daß sich manches aufdrängt,
als ob es Etwas wäre. Das aber bringt gerade den treuen Freund der Poesie
zur Verzweiflung, weil es dann doch Nichts ist, indem allenthalben die Tiefe
und der Hintergrund fehlt, worüber sich nur derjenige lange täuschen kann,
der selbst flach ist. Es ist hier insbesondere von einer speciellen Gestaltung
der lyrischen Poesie die Rede, deren Formen gediegen auszufüllen Gediegen-
heit im Subject und eine bedeutende Eigenthümlichkeit um so mehr erfodert,
da die Formen zugleich hervorstechend genug sind, um für sich allein zu
fesseln und die Leerheit zu begünstigen. Dicse sinnvollen Töne haben neuer-
dings mit dazu gedient, den erstorbenen Sinn für Poesie, als Kunst, allge-
meiner wiederum hervorzulocken. Indem aber die Jünger eine gebildete Technik
allein für sich eintreten lassen, trägt man nur eine um so schlimmere Emp-
fmdung davon, daß die Kunst auf einer höheren Stufe sich wieder in ein
Fantom verkehrt. Es ist das ächte Verdienst der Vorgänger, wenn Nach-
ahmer ohne wahres Verdienst dennoch so viel leisten können ; ein Memento
könnte es indessen für jene seyn, dem Streben nach der Form eine weniger
formelle Richtung zu geben, worin einige fast zu viel gethan haben und eben
an der äußersten Grenze still gestanden sind. Für unsere Poeten gesellen sich
nun zu dem bloß äußerlich Gegebenen noch gewisse innerliche Hülfsformen
die sie eben aus den immer mehr sich verbreitenden Ideen, den Entdeckungen
der Philosophie und Physik nehmen, und die schwächsten unter ihnen an
Crucifixen, Marien- und. Iieiligenbildern u. s. w. finden, welche die Venus und
den Arnor, die Grazien und Nymphen als altmodig bey ihnen verdrängt
haben, aber unter ihren Händen eben so nichtssagende abentheuerliche
Zeichen und Puppen werden, als sie es gewöhnlich in den deutschen Kloster-
kirchen sind.
Urn mit dem Demokrit zu scliließen, empfehlen wir noch unseren Ver-
fassern zur Aufnahme in den nächsten Jahrgang folgendes, dem Einsender be-
kannt gewordene Sonett, von einer zwar technisch ungeübten, aber natürlich
geistvollen Hand :
Die Blurne ist in Liebe hoch ehtbrannt,
Die Kelche wollen alle aufwärts dringen,
Und an die Sterne ihre Fäden schwingen,
Zu fassen Wurzel im azurnen Land.
Es überschäumt der Most den goldnen Rand,
Die Tropfen selbst im Becher widerklingen,
Und Kindlein, welche Schmetterlinge fingen,
Fahn Psyche’n nun an jeder grünen Wand.
So muß das Alte wohl sich neu gestalten ;
Denn alle si.tzen um den sühen Brey,
Und die noch nicht die Löffel können lialten,
Sie legen doch getrost ihr täglich Ey ;
Und beten an das hohe Wunderkreuz,
Das aufgerichtet, aller AVelt zum Kreuz.
MZ.
 
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