Metadaten

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph; Schelling, Caroline; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Frank, Erich [Oth.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 1. Abhandlung): Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline in der Neuen Jenaischen Literatur-Zeitung — Heidelberg, 1912

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32876#0051
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroiine.

43

Sätze beurtheilen wollte, welche der Vf. in der Vorredc logisch und lakoniscli
zusammen zu drängen sucht, der würde etwas gar sehr verkehrtes davon er-
warten dürfen, was er am besten ganz ungelesen ließe. Wir wollen ihm
Schritt vor Schritt' folgen, insoweit es ohne Sprung möglich ist. „Darstellung
von Begebenheiten ist nur Kronik.“ Da der Vf. so weit mit der Con-
struction eines Werkes zurückgeht, das nicht im mindesten an den Begriff von
Kronik erinnert (es müßte denn ganz leise an das seyn, was man Chronique
scanäcdeuse nennt) : so ist es nicht recht, daß er die Tradition, als das aller-
erste, liinter sich zurück läßt, und die Geschichte neben sicli vernichtet, indem
er mit jenem Satze jede Darstellung von Begebenheiten leugnet, die nicht
Kronik ist. „Der Charakter des Romans ist Einheit und Einheit ist liuhe
im Gemählde.“ Idier ist plötzlich von etwas anderem die Rede, wobey das
Hauptwort verwechselt zu seyn scheint, vielleicht vom landschaftlichen Ge-
mählde : vom Roman möchte man eher glauben, daß Vielseitigkeit, zwar in Ein-
heit und Bewegung, sein Charakter sey. „Eine Empfmdung muß der Roman
aussprechen und nur Eine.“ Bisher liat man dieses von dem, dem Roman selir
entgegenstehenden lyrischen Gedicht angenommen. Das kommt nun davon,
wenn die Tradition so schmälich vernachlässigt wird. „Dann ist er wahr.“
Doch wohl nur subjectiv angesehen? „Wer diese Empfindung, diese Wahr-
heit in Zoe nicht fmdet, hat das Buch — nur gelesen.“ Dagegen ist nichts
einzuwenden, denn man braucht nicht einmal mehr zu tliun, als es zu lesen,
um jene zu finden. Die Eine Empfmdung liegt am Tage, mithin auch die
Wahrheit ; denn jede Empfmdung ist, als Empfmdung, wahr. Der \rf. hat
ein edles Streben, viel Scharfsinn, Bekanntschaft mit Altem und Neuem,
Stellen aus Classikern und französische Opernverse, und eine sehr gelehrtc
Kenntniß natürlicher Rechte und künstlicher Sitten aufgeboten, um eine un-
gezähmte Freyheit des Geistes und Herzens in Sachen seines Zöglings zu ver-
theidigen, kraft welcher dieser — jede Frau begehren und auch nehmen darf,
die ihm gefällt. Nur diese Eine Empfmdung begeistert den jungen Mann.
Wir zweifeln nicht, daß den übrigen Worten der Vorrede gemäß, wenn „der
Cyklus geschlossen ist“ er den Gebrauch dieser Freyheit von sehr beschwer-
lichen Folgen finden, und die moralische Tendenz sich dergestalt genugsam
offenbaren wird. Ja er ist wirklich am Ende dieses Theiles schon so weit
damit gekommen, daß er Zoe, welche, von griechischer Abkunft, doch
hierüber die hier zu Lande übliche Gesinnung hegte, als das Opfer seincr Un-
fesselbarkeit, vor seinen Augen sterben sehen muß, ’und diejenigen, welche
seine Liebe mit ihr theilten, im Schmerz um sie versunken. Mit der letzten
Zeile tritt sogar höchst unerwartet die leichtsinnigste ihrer Nebenbuhlerinnen
noch ein, und schließt durch ihre Erscheinung das Thema mit einer
schreyenden Dissonanz. — Dem Vf. sind die Briefe und Piäsonnements, in
denen die Eine Empfmdung abgehandelt wird, also der lyrische Theil, besser
gelungen, wie der erzähiende, in welchem der rasche Ton und pragmatische
Nachdruck der beabsichtigten Ruhe im Gemählde sehr widerstrebt.
Indem wir hierauf mit Friederike Weiß und ihren Tüchtern :
11) Berlin, b. Frölich : Friederike Weiß und ihre Töchter. Eine Geschichte
herausgegeben von E. C. Trapp. 1805. 388 S. 8. (1 Rthlr.)
schließen, fallen wir freylich in den leutseligsten Ton der Bürgeriichkeit hinab,
indessen behauptet dieses Buch im Nützlichen eine so ehrenwerthe Stelle, daß
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften