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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph; Schelling, Caroline; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Frank, Erich [Oth.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 1. Abhandlung): Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline in der Neuen Jenaischen Literatur-Zeitung — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32876#0053
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Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline.

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des Notwendigsten ; er steuert ihn so reich aus, daß die peinliche Theilnahme
an dem Schifibrüchigen bald gemildert, und in eine fröhliche verwandelt wird,
worauf er alles, was sich ferner zuträgt, so wohl vertheilt und gestellt hat,
daß der kleinste Umstand eine Art von romantischem Interesse bekommt, das
Gelingen eines Geräthes zur Begebenheit wird, und der Fußstapfen im Sande
ein tragisches Geheimniß ist, das nicht den Bobinson allein mit Schauder er-
füllt. Den Charakter desselben hat er mit vielem Verstande ersonnen und
durchgeführt, welches Verdienst ihm auch in vollem Maß für den zweyten
Theil bleibt.. Er läßt ihn einen Gott auf der wüsten Insel fmden und erkennen,
an den er im wüsten Leben nie gedacht hatte, aber nur soweit es seine
boschränkte Natur erlaubte, die ihn eben nicht zu einem Johannes bestimmte,
der auf der wüsten Insel Ofienbarungen hätte dichten können. Die Bibel,
die er zufällig gerettet, und sie nur als todten Buchstaben kannte, belebt sich
für ihn zu einem geselligen Orakel, das ihm beruhigende Sprüche ertheilen
muß ; jene innerliche Unruhe die ihn verfolgt, ist das Satz, das ihn auch in
der Einsamkeit erhält ; diese macht ihn egoistisch, herrschsüchtig und miß-
trauisch, wie es ebenfalls seiner Begrenztheit ziemte. Damit aber bitdet denn
die schönere Natur seines nachmaligen Gefährten Freytag, der nichts wie
Liebe, Anhänglichkeit, Muth und Freude ist, einen rührenden Contrast. Iio-
binsons Proselytenmacherey und Unduldsamkeit, wie sie sich im zweyten
Theil äußert, ist gewiß ein bedeutender Zug, und überhaupt zeugen auch in
diesem die Details von großer Kraft der Erfindung, die nur allerdings nicht
durchgreifend genug war, um der wieder aufgenonnnenen Geschichte eine so
allgemein interessante Wendung zu geben, daß wirklich zwey verscliiedene,
aber mit einander harmonirende Theile daraus geworclen wären. — Der Heraus-
geber verdient daher auf jede Weise Dank dafür, an den Robinson in seiner
beseelteren Gestalt erinnert zu haben, nachdem er der gegenwärtigen Zeit
zum blofien Gliedermann für Erlernung technischer Fertigkeiten hat dienen müssen.
Die Bibliothek des Romantisch-Wunderbaren steht mit der vorher-
gelienden in umgekehrtem Verhä.ltniß. Denn um etwas Solides zu leisten,
müßte sie mehr ins Große angelegt seyn ; liior sind nur kurze Auszüge und
Erzählungen unter gewisse Rubriken gebracht, ohne Vollständigkeit, ohne Folge
und Zusammenhang der Zeiten und Völker, so daß das Ganze nichts andcres
ist, als willkührlich gegebene Proben von diesem und jenem Romantischen und
Wunderbaren — „eine Musterkarte von allem Gesträuche“ — eine getrocknete
noch dazu ; und solchergestalt ist es ein ziemlich gewöhnliches Lesebuch ge-
worden, das indessen innner mehr zu empfehlen ist, wie hundert andere des
Augenblicks. Denn es hat docli einen besseren Hinterhalt ; auch hat der
Herausgeber meistens die Quellen genannt, und dem, der unbekannt mit
ihnen ist, Gelegenheit gegeben weiter nachzuspüren. Uns scheint : eino
einzige Dichtung dieser Art in ihrer ächten Gestalt genossen, vermag Ver-
ständniß und Sinn ftir alle, besser zu erweckea, als das Naschen von un-
zähligen in ihrer unvollkommenen. Wie übrigens der französisch-appretirte
Endymion (VEndymion, Paris 1620) in diese Reihe von Volkssagen kommt,
da außerdem nirgends griechische Mythen berührt werden, oder Achmet (Le
gout dans l’amour, Paris 1746) eine frivole und höchst geschmacklose fran-
zösische Erzählung, das ist selbst bey der geringen Strenge der Anlage
schwer zu begreifen. Bff.
 
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