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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 3. Abhandlung): Das Völkerrecht der Zukunft — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34062#0003
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I.
Ein eisemer Besen fegt über die Lande, mächtiger, breiter,
grausamer als je welcher; nie ist in kurzer Spanne Zeit mehr Blut
vergossen worden. Ekel und Scham überkommt uns, wenn wir
hierin das Resultat Jahrtausende langer Kuiturarbeit unseres
ganzen Geschlechtes zu erhlicken hätten. Wie hat sich das Christen-
tum bewährt ? Franzosen, Engländer, Russen gehören zu den vor-
nehmsten Trägern seiner drei Hauptformen in der Gegenwart: ahe
drei sind verantwortlich für den Krieg mit den schweren Leiden
vieler Millionen; denn nie hätten zwei der Ententemächte ihn be-
gonnen, solange die dritte ernsthaft widerstrebte. E)nd selbst
die gemeine Moral ist mit Füßen getreten: da der Meuchelmord
erscheint, wie einst in der Renaissance, als nützliches Mittel für
höhere politische Zwecke. Ganz besonders beliebt ist die Lüge
in ihren beiden Gestalten, Unterdrückung der Wahrheit und Ver-
breitung von erfundenem Zeug, seitens der höchsten Staatsorgane
und ihrer Marktschreier. Dazu kommt, daß der alte Satz, die
Lügen hätten kurze Beine, sich neuerdings schlecht bewährt hat:
die eigenen Völker und neutrale Nachbarn, diese zumal, wo ihre
Interessen damit zu harmonieren scheinen, sind nicht selten bis
in die Gegenwart hinein im Nebel der gesponnenen Netze ver-
blieben. Erfreulich, ja erhebend steht dem gegenüber die Kampfes-
weise der in ihrer Existenz bedrohten Staaten, doch war diesen
auch kaum eine Wahl gelassen. Der Dichter sagt: ,,nichtswürdig
ist die Nation, die nicht ihr Alles einsetzt für die Ehre", hier aber
handelt es sich um mehr als die Ehre: Freiheit oder Knechtschaft,
von deren Beschaffenheit die Russen gleich so freundlich gewesen,
uns verläßliche Proben zu geben.
Noch kennt niemand das Datum oder die einzelnen Satzungen
des Friedensschlusses; und mit welcher Note dieser Krieg dereinst
in das Buch der Weltgeschichte eingetragen werden wird, das geht

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