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Braune, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 11. Abhandlung): Reim und Vers: eine wortgeschichtliche Untersuchung — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34082#0005
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ReimundYers.

Für die falsche Deutrmg von mhd. /'hn. auf den Endreim sind
einige Stellen verhängnisvoh gewesen. Vor allem die bekannte
Aussage Rudoffs von Ems über Heinrich von Veldeke in seiner
Alexandreis:
Fon FgMe/cg gfer (v^e nm//,
de/' reAfe/' /'/.//?e <VrerV ^egu/?.
Diese wurde dahin verstanden, daß Heinrich von Veldeke von
Rudolf deshalb gerühmt werde, weil er zuerst den reinen Reim
durchgeführt habe. So in WvcKERNAGELs Literaturgeschichte H,
171, bei IkoBERSTEiN D, 112 (auch noch in der 6. Aufl. 1884, 114)
und anderwärts. Zwar meint schon BECH, Germ. 7, 79, daß die
Stelle Rudolfs vieheicht mit allzu einseitiger Hervorhebung auf
die Silben des Endreimes bezogen worden sei. Aber die land-
iäufige Deutung blieb bestehen und trat auch in BEHAGHELS Aus-
gabe der Eneide (1882) zutage. In meiner Anzeige dieser Ausgabe
GGA. 1882, 1483 ff. habe ich die Frage. zu klären und Rudolfs
Worte richtiger zu deuten gesucht. Aber meine Darlegungen haben
doch nur teilweise Beachtung gefunden^), denn die irrtümliche
Auslegung kehrt immer und immer wieder. Vgl. besonders SARAN,
Deutsche Verslehre (1907) S. 266. Noch 1912 zitiert W. GoLTHER
in seiner Deutschen Dichtung des Mittelalters S. 178 die Worte
Rudolfs mit der Beifügung: 'er preist also die Reimkunst Vel-
dekes und ihre ReinheiF und neuestens taucht bei LEiTZMANN
Beitr. 42, 22 klas große Vorbild des rein reimenden Heinrich von
Veldeke' wieder auf.
Ich muß deslialb hier nochmals darauf eingehen. Wer Rudolfs
/'gA^e /'//ne mit Hichtige Reime' übersetzt, stößt schon auf sachliche
Schwierigkeiten. Zwar steht Veldeke im Prinzip auf dem Stand-
punkte des reinen Reims. Aber er brachte damit nichts Neues,
Eigenes, sondern folgte nur dem allgemeinen Zuge der Entwick-
lung, der seit Mitte des 12. Jahrhunderts auf den reinen Reim hin
ging und auch bei gleichzeitigen Dichtern schon zum Ziele gekom-
men war, wenngleich andere Dichter (z. B. Eilhart) hierin noch
rückständiger waren. KoRERSTEiN hat. diese Schwierigkeit wohl
i) Insbesondere hat FR. KLUGE sich meiner Auffassung angeschlossen.
Ygl. Etym. Wbh (1910) S. 370. In der 8. Auflage (1915) ist der Artikel /'eün
sehr gekürzt, aber bestimmter gefaßt. Auch in der neuen Bearbeitung von
WEiGANDs Wörterbuch 2, 561 ist unter Berufung auf mich die Geschichte
des Wortes reini. dargestelit, freilich weniger befriedigend wie bei KLUGE.
 
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