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Braune, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 11. Abhandlung): Reim und Vers: eine wortgeschichtliche Untersuchung — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34082#0006
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WlLHELM BRAUNE:

erkannt, wenn er a. a. 0. Rudolfs Worte dahin deutet, daß Vel-
deke in der Mitte des 13. Jahrhunderts als der erste genaue Reimer
betrachtet und gerühmt worden sei, 'wahrscheinlich weil jene
älteren streng gereimten Werke den späteren höfischen Dichtern,
denen Heinrich v. V. überhaupt als der Vater ihrer Kunst galt,
nicht mehr bekannt waren'. Es wird also, um die fafsche Über-
setzung zu retten, dem gelehrten und in der deutschen Dichtung
von Lamprechts Afexander bis auf seine Zeit so belesenen Rudolf
von Ems unterstellt, daß er damit ein unrichtiges historisches
Lh'teil ausgesprochen habe.
Nun aber hätte Rudolf nicht einmal irrtümlich den genauen
Reim als besondere Errungenschaft Veidekes ansehen können.
Denn abgesehen davon, daß Veideke immer noch eine recht statt-
fiche Anzahf absofut ungenauer Reime haH) und daß erst Hart-
mann die volle Reinheit des Reimes in epischen Dichtungen wirk-
fich erreichte, sind die relativ unreinen Reime, wie sie Rudolf bei
Veldeke entgegentreten mußten, in so großer Menge vorhanden,
daß Rudoffs Urteii über Veldeke auf anderem Grunde ruhen wird.
Daß in der Eneide im allgemeinen reiner Reim herrscht, können
nur wir erkennen, nicht aber der hochdeutsche Leser und Hörer
des 13. Jahrhundei'ts. Denn diese Reinheit besteht nui' in der
niedei'fränkischen Mundart Veldekes. Die mhd. Handschriften der
Eneide, in denen sie allein in Deutschland gelesen wurde, zeigen
die gröbsten Unreinheiten wie irre .* cc7ve, .* .*
Au/mA, .* Ao/, die erst in ETTMÜLLERs
Ausgabe tunlichst ausgeglichen sind.
Mdi' haben besonders durch die Arbeiten von KRAUS und
ZwiERZiNA gelernt, daß die mhd. Dichter der besten Zeit bestrebt
v'aren, im Reimen mögfichst nur indifferente Bindungen zu brau-
chen, welche auch in anderen Mundarten reine Reime ergaben,
um bei den Hörern keinen Anstoß zu erregen. Für Veldeke gilt
das in seiner Eneide nui' in beschränktem Maße. Nun hat freifich
KRAus^) gezeigt, daß inVeldekes Eneide dieVerstöße gegen den
mhd. Reim nicht. so häufig sind, wie sie es sein müßten, wenn die
Eneide als rein mndf. Dichtwerk entstanden wäre, wie das bei
Veldekes Liedern in der Tat der Fali ist, die verhältnismäßig
R Aufzählung dersefben in Behag'hels Einleitung S. CXIff.
CARL KRAUs, Heinrich von Veldeke und die mhd. Dichtersprache,
Halle 1899. Dazu KAUFFMANN, Zs. f. d. Ph. 32, 91 ff. und FRANCK, Anz.
fda. 26, 104; ferner v. KRAUs, Prager deutsche Studien 8, 211 ff.
 
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