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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 4. Abhandlung): Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37637#0040
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40

Martin Dibelius:

mit dem Hinweis auf die synkretistischen Tendenzen des Zeit-
alters beantworten, die den Gedanken der Verbindung fördern,
den der Abstoßung zurückdrängen; die augenfälligsten Belege,
wiederum bei Apuleius (Met. XI 2 und 5) und im Attisliede bei
Hyppolit (V 9) sind ja bekannt. So werden die Priester und Ein-
geweihten des Mysteriums zu Kolossä in dem Christentum einen
den anderen gleichgeordneten Kult gesehen haben; sie konnten
also ohne Bedenken seine Anhänger in ihre Gemeinschaft auf-
nehmen. So bemächtigt sich der Synkretismus dieser Christen,
und wir erkennen in den Vorgängen zu Kolossä das Anfangs-
stadium eines Prozesses, der die Verbindung des Christentums
mit dem Hellenismus wie seine Auseinandersetzung mit ihm ent-
scheidend beeinflußt hat, und auf dessen treibende Kräfte wir
zum Schluß noch einen Blick werfen: es ist der Prozeß der akuten
Synkretisierung des Christentums1, es ist das Eindringen der
Gnosis in die christlichen Gemeinden.
Die Tatsache, daß sich etwa um das Jahr 56 n. Chr.2 Glieder
der Christengemeinde zu Kolossä in den dort gepflegten Mysterien-
kult der „Elemente“ einweihen lassen, bildet wohl den ältesten
sicher datierbaren und geschichtlich erkennbaren Einzelfall einer
frühen und keimhaften christlich-gnostischen Bildung. Was an
der vollen Entfaltung noch mangelt, ist ohne weiteres zu sagen:
es fehlt der ausgebildete Dualismus3, es fehlt die gnostische Erlöser-
gestalt und infolgedessen der christlich-gnostische Doketismus.
Daß Christus Erlöser von dem Druck der kosmischen Mächte sei,
ist von den Christen, die sich zum Kult der Elemente bekehrten,
keineswegs behauptet worden; sonst hätte Paulus nicht gerade
mit diesem Gedanken gegen sie operiert. Man sieht also, daß hier
1 Zu dieser Definition der Gnosis vgl. die Ausführungen von Karl
Müller, Kirchengeschichte I § 19. 20.
2 Wegen Phm. 22 möchte ich die Abfassung des Philemonbriefes und
des mit ihm gleichzeitigen Kolosserbriefes in die Gefangenschaft des Paulus
in Cäsarea setzen. Die Dauer dieser Gefangenschaft scheint mir —· trotz der
Bedenken von Schwartz, Gott. Nachr. 1907, S. 294 f. -—- nach Act. 24, 27 zwei
Jahre zu betragen; diese Jahre sind nach den Untersuchungen von Deiss-
mann, Paulus 159ff. und Lietzmann, Zeitschr. f. wiss. Theol. 1911, 345ff.
ungefähr zu berechnen: 55—57 n. Chr.
3 Sonst würde Paulus gegen ihn polemisieren. Man vgl. die Bestreitung
der Nahrungsaskese Col. 2, 20 mit der Bekämpfung derselben Erscheinung
I Tim. 4, 3. 4; im zweiten Fall scheinen dualistische Gedanken bei den Geg-
nern mitzuwirken, im ersten nicht.
 
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