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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 4. Abhandlung): Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37637#0044
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Martin Dibelius:

durch gnostische Lehre abgewandelt worden zu sein. Wir sehen
also die Gnosis als mythisch-mystische Spekulation in verschie-
denen Kulten Einzug halten, ohne daß dadurch die Existenz
dieser Kulte gefährdet oder ihre kultische Gemeinschaft gesprengt
würde. Von diesem Prozeß ist nun auch das Christentum betroffen
worden, und wir begegnen somit einer zweiten Art christlich-
gnostischer Bildung neben jener ersten Art der Doppel-Initiation:
der allmählichen gnostischen Beeinflussung des schon
bestehenden Kults. Sie läßt sich aufzeigen an einem Vorstel-
lungskomplex, der an sich längst beschrieben und untersucht
ist, dessen Verwandtschaft mit den hier behandelten Erscheinun-
gen aber noch der Betonung bedarf1.
Ich habe früher2 nachzuweisen versucht, daß Paulus die
Menschwerdung Christi nach Art eines Höllenfahrtsmythus gedacht,
also einen wirklichen Christusmythus geschaffen habe. Belege bieten
vor allem I. Cor. 2,6ff., Phil. 2, 5ff., aber auch II. Cor. 8,9 und
vor allem die Ausführungen des Kolosserbriefes: Christus ist uner-
kannt durch die Sphären der Archonten hinabgestiegen, um dann
in Glorie auffahrend über die getäuschten Archonten zu trium-
phieren3 * S.. Was in den Hadesmythen die Unterwelt, ist hier die
1 Unser Verständnis des ganzen Prozesses ist wohl am allermeisten
gefördert worden durch Paul Wendlands Buch über „Die hellenistisch-römi-
sche Kultur“, speziell durch sein achtes (in der ersten Auflage: zehntes)
Kapitel: Synkretismus und Gnostizismus. Ich möchte dieser Darstellung
gegenüber besonders betonen 1. den Unterschied zwischen „hellenistischen“
Mysterien und „gnostischen“ Mysterien. Es kommt hier in Betracht, was
ich für Kolossä nachgewiesen zu haben glaube — Depossedierung der alten
Gottheiten, die zu kosmischen Kräften werden, Verbindung des Mysteriums
der Erlösung mit kosmologischer Spekulation — und was ich oben als Unter-
schied zwischen den Isis- und den στοιχεΐα-Mysterien hervorgehoben habe.
2. betone ich mehr, als dies in Wendlands Darstellung beabsichtigt ist, die
Anfänge der Einwirkung auf das Christentum schon im 1. Jahrhundert.
3. möchte ich die verschiedenen Arten der Vermittlung, auf die Wendland
nicht eingegangen ist, an Beispielen zeigen.
2 Die Geisterwelt im Glauben des Paulus passim; Zusammenfassung
S. 203ff. Vgl. auch die zustimmenden Ausführungen bei Bousset, Kyrios
Christos S. 161 u. Anm. 3.
3 Eine Anspielung auf diesen Mythus lese ich auch heute noch aus
Phil. 2, 5ff. heraus, obwohl ich mich durch W. W. Jaegers Aufsatz (Her-
mes 1915, 537ff.) habe überzeugen lassen, daß ούχ άρπαγμόν ήγήσατο keine
Andeutung über das „Rauben“ der Engelmächte enthält, vgl. Theol. Lit.
Ztg. 1915, 557f. Aber der Triumph über die Geister ist deutlich genug Phil.
2,11 bezeugt, um uns den mythischen Aufriß erkennen zu lassen.
 
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