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Hermann Güntert:
ganz identisch : scpvjv „ich sagte“ ist sprachgeschichtlich dieselbe
Bildung wie sgttjv „ich trat“, sßMjv „ich traf“, sypacpov „ich
schrieb“, scpuyov „ich floh“; spdyyjv, sTp<X7r/]v, exZarr/jv usw. schließen
sich morphologisch betrachtet ohne weiteres an. Der Unterschied
lag ursprünglich lediglich in der Bedeutungsschattierung des Ver-
balstammes selbst, und er allein bewirkte Gebrauchsverschieden-
heiten rein syntaktischer Art. Man hat dann im Bestreben, Präsens
und Aorist auch formal zu scheiden, das Augment — ursprünglich
nichts als ein Zeitadverbium mit der Bedeutung „einst, früher“ —
obligatorisch gemacht und einen Unterschied zwischen sekun-
dären und primären Endungen — auch erst ein Ergebnis jüngerer
Entwicklungen — durchgeführt. Aber trotzdem kam man selbst
im Griechischen bei nicht-indikativischen Formen in Not und half
sich mit Akzentneuerungen, vgl. Aor. ysveaFou, iAow gegen Präs,
ypacpcov, Sa/.vcov, wo die der Betonung schnurstracks widersprechende
Ablautsstufe der Stammsilbe mit wünschenswerter Deutlichkeit
die junge Schematisierung ausplaudert; auch liegt letzten Endes
hierin der Grund, daß die Passivaoriste auf -y]v durch eine so erheb-
liche Anzahl von Neubildungen auf -thjv, die deutlicher waren,
ergänzt worden sind (vgl. § 39).
14. Keines dieser Mittel stand der Sprache auf italischem
Boden noch zur Verfügung: vom Augment gar nicht zu reden,
war auch ein Unterschied von Primär- und Sekundärendungen
verwischt, und das neue Betonungsgesetz gestattete keinerlei
Differenzierungen durch den Akzent. Wollte die Sprache also die
alten Formen nicht ganz verlieren und durch radikale Neuerungen
und periphrastische Bildungen ersetzen, so blieb — da in einem
Kampf zwischen präsentischen und aoristischen Formen auf Leben
und Tod natürlich die Präsensformen siegen mußten — der Sprache
nur der letzte Weg einer Umbildung und Verdeutlichung der alten
Wurzelaoriste. Auch die italische Sprache griff zu dem Mittel,
zu dem auch sonst so oft im Sprachleben in ähnlichen Zwangslagen
gegriffen wird, wenn es gilt, eine abgenützte, altersschwach gewor-
dene Form neu zu beleben: zur Umschreibung mit Hilfswörtern.
Wenn die Funktion eines Kasus nicht mehr recht anschaulich
und ausdrucksfähig zu werden beginnt, so macht man ein auch
vorher gelegentlich wohl schon gebrauchtes Adverbium obligato-
risch: dann stellt der sprachbeschreibende Grammatiker fest, daß
eine „Präposition“ (oder „Postposition“) einen oder mehrere
Hermann Güntert:
ganz identisch : scpvjv „ich sagte“ ist sprachgeschichtlich dieselbe
Bildung wie sgttjv „ich trat“, sßMjv „ich traf“, sypacpov „ich
schrieb“, scpuyov „ich floh“; spdyyjv, sTp<X7r/]v, exZarr/jv usw. schließen
sich morphologisch betrachtet ohne weiteres an. Der Unterschied
lag ursprünglich lediglich in der Bedeutungsschattierung des Ver-
balstammes selbst, und er allein bewirkte Gebrauchsverschieden-
heiten rein syntaktischer Art. Man hat dann im Bestreben, Präsens
und Aorist auch formal zu scheiden, das Augment — ursprünglich
nichts als ein Zeitadverbium mit der Bedeutung „einst, früher“ —
obligatorisch gemacht und einen Unterschied zwischen sekun-
dären und primären Endungen — auch erst ein Ergebnis jüngerer
Entwicklungen — durchgeführt. Aber trotzdem kam man selbst
im Griechischen bei nicht-indikativischen Formen in Not und half
sich mit Akzentneuerungen, vgl. Aor. ysveaFou, iAow gegen Präs,
ypacpcov, Sa/.vcov, wo die der Betonung schnurstracks widersprechende
Ablautsstufe der Stammsilbe mit wünschenswerter Deutlichkeit
die junge Schematisierung ausplaudert; auch liegt letzten Endes
hierin der Grund, daß die Passivaoriste auf -y]v durch eine so erheb-
liche Anzahl von Neubildungen auf -thjv, die deutlicher waren,
ergänzt worden sind (vgl. § 39).
14. Keines dieser Mittel stand der Sprache auf italischem
Boden noch zur Verfügung: vom Augment gar nicht zu reden,
war auch ein Unterschied von Primär- und Sekundärendungen
verwischt, und das neue Betonungsgesetz gestattete keinerlei
Differenzierungen durch den Akzent. Wollte die Sprache also die
alten Formen nicht ganz verlieren und durch radikale Neuerungen
und periphrastische Bildungen ersetzen, so blieb — da in einem
Kampf zwischen präsentischen und aoristischen Formen auf Leben
und Tod natürlich die Präsensformen siegen mußten — der Sprache
nur der letzte Weg einer Umbildung und Verdeutlichung der alten
Wurzelaoriste. Auch die italische Sprache griff zu dem Mittel,
zu dem auch sonst so oft im Sprachleben in ähnlichen Zwangslagen
gegriffen wird, wenn es gilt, eine abgenützte, altersschwach gewor-
dene Form neu zu beleben: zur Umschreibung mit Hilfswörtern.
Wenn die Funktion eines Kasus nicht mehr recht anschaulich
und ausdrucksfähig zu werden beginnt, so macht man ein auch
vorher gelegentlich wohl schon gebrauchtes Adverbium obligato-
risch: dann stellt der sprachbeschreibende Grammatiker fest, daß
eine „Präposition“ (oder „Postposition“) einen oder mehrere