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Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 8. Abhandlung): Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37641#0011
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Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts.

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als Tempusstamm benutzen oder nicht — genug, daß sie selbst
ein Vergangenheits-Tempus sind; es kommt uns lediglich auf die
Feststellung der Tatsache an, daß die fraglichen lat. Wortstücke
auf -e vor dem *-fäm des Imperfekts in anderen iclg. Sprachen
gleichfalls als Grundlage eines Vergangenheitstempus vorliegen,
wie dieses Tempus selbst entstanden ist, ist für unser Problem völlig
gleichgültig. Dagegen haben wir das gute Recht zur Folgerung,
daß ein Vergangenheitstempus, das im Griechischen und anderen
idg. Sprachen vorliegt, einst auch im Uritalischen noch als Erbe
aus der gemeinsamen Sprachperiode vorhanden gewesen sein kann,
ja vorhanden gewesen sein muß. Somit beantworte ich unsere erste
obige Frage ohne Zögern dahin: Das italische Imperfektum
ist in seinem ältesten, für die Verbreitung der Form maß-
gebenden Mustern seiner Stammbildung nach die Fort-
setzung idg. Wurzelaoriste von schweren Basen.
13. Die Antwort auf unsere zweite Grundfrage, warum man
die alte Form, also den Wurzelaorist, in italischer Zeit umgebildet
habe, findet sich von selbst ein, sobald wir uns einen Augenblick
vorstellen, wie der alte Aorist bei ungestörter Fortentwicklung im
Italischen, im Latein etwa hätte aussehen müssen, wobei wir
natürlich mit dem Augment nicht rechnen dürfen (lat. fec-l : gr.
s-F-yjx-a): nach Anfügung der italischen Personalendungen kommt
man da auf Formen wie *legem, *leges, *leget, *legemus, *legetis}
Hegent als Tempus der Vergangenheit! Diese Bildungen jedoch
liegen ja historisch bereits vor — als Futurformen und setzen
alte thematische Konjunktive fort (agetis ^ gr. ay/prs). Und bei
Formen, wie *stäm *stäs *stät usw. entsprechend dem gr. s-gttjv,
dor. s-cTÜv, ai. Aor. dsthät, wie *-träm zu in-trö inträs, vgl. ai. Aorist
atäri ätärlt zu tiräti, träti „setzt über“, wie *(s)näm *(s)näs zu näre1
vgl. ai. Aor. asnäyi zu snäti „badet“ und ähnlichen Verbalthemen
auf -ä hätte sich im Italischen gar Präsens und „Imperfekt“ ohne
weiteres vermischen müssen. Somit ist die Antwort auf unsere
zweite Frage, denk’ ich, klar: da das Augment keineswegs obliga-
torisch war und im italischen Verbalsystem keine Stätte mehr
haben konnte, mußte mit dem Aufgeben der primären und sekun-
dären Endungen in italischer Zeit ein Zusammenfall von Präsen-
tien und Wurzelaoristen erfolgen; sind doch bekanntlich im Grie-
chischen, das noch den Unterschied dieser beiden Endungsarten
aufrecht erhält, oft Imperfekte, Aoriste und pass. Aoriste formal
 
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