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Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 8. Abhandlung): Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37641#0014
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14

Hermann Güntert:

er ist nicht stichhaltig, und nicht nur deshalb, weil das eine bei
intransitiven, das andere bei transitiven Wörtern ursprünglich
berechtigt gewesen war. Denn es ist geboten, sich an den prin-
zipiellen Unterschied der sog. „Tat“- und „Empfindungsverben“
zu erinnern, wozu man F. N. Fincks Ausführungen in seinem
trefflichen Büchlein „Haupttypen des Sprachbaus“ S. 14 ver-
gleiche. Entsprechend der doppelten Art, wie unsere Beziehung
zur Außenwelt entweder mittels der motorischen oder sensorischen
Nervenbahnen vor sich geht, müssen wir auch zwei Hauptgruppen
von Verbalbedeutungen in einer Sprache voraussetzen: Tätigkeits-
verba und Empfindungsverba (z. B. ich sehe : mir erscheint). Aber
meistens pflegt es nun in der Sprachentwicklung nicht bei der
natürlichen und psychologischen Scheidung zu bleiben, sondern die
eine Gruppe dehnt sich auf Kosten der anderen aus, und es wäre
wohl eine lockende Aufgabe, einzelne Sprachen in diesem Punkte
genauer zu untersuchen, da für die Denkart der Sprechenden
daraus manche Folgerung zu ziehen wäre. Wir sagen „ich erkranke“,
ich „verschmachte“, ich „sterbe“ sogut wie ich „schlage“, ich
„verwunde“, ich „töte“ und verallgemeinern also offenbar die
Gruppe der Tätigkeitsverba. Daß, wie im Georgischen, häufig
beide Arten nebeneinander Vorkommen, so daß wir bei vielen
Verben eine doppelte Konjugation antreffen, eine persönliche
und unpersönliche (vgl. Finck Haupttypen 133ff., F. Müller
Grundr. d. Sprachwissenschaft III, 2, 199, Dirr Georg. Gramm.
S. 72ff.), ist eine große Seltenheit. Ich erinnere auch an die aus
fast allen Sprachen bekannte doppelte Ausdrucksweise: „ich habe“
und „mir ist“. Diese Erwägungen mögen genügen, um jenen
semasiologischen Einwand gegen die Verwendung von ital. -fäm
aus *-bhuäm „ich war“ als Hilfsverbum zu entkräften. Im Vorbei-
gehen möchte ich nur noch auf die Umschreibung des altindischen
Perfektums mit cakara einerseits, asa und babhüva anderseits in
diesem Zusammenhang hinweisen (s. die Literatur über diese
Streitfrage bei Brugmann Grdr.2 II, 3, 501): nach meiner An-
sicht ist diese Ausdrucksweise nur zu verstehen, wenn man in den
Formen auf -am zunächst alte Akkusative sieht, was doch auch
lautlich und morphologisch das Nächstliegende ist1: vidam cakara
„ich habe Wissen gemacht“; es können bekanntlich zwischen
1 Jacobis Bedenken gegen diese Auffassung (KZ 35, 583) scheinen mir
nicht durchschlagend; doch kann hier nicht weiter auf die Frage eingegangen
werden.
 
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