Metadaten

Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 8. Abhandlung): Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1917

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37641#0030
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
30

Hermann Güntert:

calefacio, dessen Passiva (caleflo), wie wir jetzt sehen, engstens mit
dem UFuturum sich berühren1, und im osk.-umbr. /-Perfekt, und
auf keltischem Gebiet im Typus cymr. gwy-bydaf, clywaf usw. und
im Kondizionalis. Daß man in all diesen Formen in der ersten
Zeit noch deutlich die Bedeutung des betreffenden Hilfsverbums
empfand, wird am klarsten durch den Typus patefacere erwiesen,
dessen zweites Glied die kausative Bedeutung so scharf wie möglich
zum Ausdruck brachte und daher auch dauernd den Akzent auf
sich behielt.
34. Sollte im Gegensatz zu der eben gezeichneten Entwicklung
bei jemand die Vermutung aufkommen, das Futurum auf -bö sei
seinerseits vielleicht doch ursprünglicher als das Imperfektum auf
-bam, so hätte diese Ansicht sofort gegen sich, daß das Antreten
des Hilfsverbums an den allgemeinen nackten Präsensstamm —
ohne weiteres angenommen — bedenklich wäre, und daß dann die
Stammbildung der Imperfekta der 3. Konjugation rätselhaft bliebe:
um aber diesen Punkt zu erklären, handelt es sich gerade in erster
Linie bei dem ganzen Problem. Denn die dem Ausgang -bö voraus-
gehenden Wortteile sind schwerlich alte Futurstämme gewesen.
Somit erweist auch diese Erwägung mit ihrer negativen Folgerung
die Bichtigkeit unseres Wegs.

VI.
35. Noch bleibt uns ein Wort über die Formen der 4. Konju-
gation zu sagen, die wir mit Absicht bis jetzt ganz unberücksichtigt
ließen. Hier ist die älteste Bildung audiebam (wie legebam, facie-
bam), d. h. sie reicht in die Zeit hinauf, als die Verba der späteren
3. und 4. Konjugation sich noch nicht getrennt hatten. Bei der
3. Konjugation war der e-Stamm, der eigentlich nur Verben mit
schwerer Basis zukam, auf alle, auch auf die Verba auf -iö aus-
gedehnt worden. Man bedenke dabei, daß gerade zu Präsentien
auf -iö starke Passivaoriste im Griechischen besonders beliebt
waren (pcdvopca : spavYjv), s. Brugmann-Thumb Gr. Gr.4 346,
Hirt IF 10, 23ff., und sehr mit Unrecht redete sich Skutsch Atti
201 ein, seine Gegner könnten audiebam „eigentlich gar nicht er-
klären“. Es versteht sich vielmehr sehr wohl vom Standpunkt
unserer Lehre, daß nur audiebam die älteste Form sein kann gegen-

1 Basis *bheua- bedeutete nicht nur „werden“, sondern auch „sein“.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften