Metadaten

Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 8. Abhandlung): Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1917

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37641#0032
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
32

Hermann Güntert:

besaß: So hatte man die gewünschte Regelmäßigkeit, und es ist
interessant, daß gerade im lebendigen Volkslatein diese Formen
audlbö und audlbam über die schrift- und hochsprachlichen Bildun-
gen audiam, audiebam nach dem Zeugnisse der romanischen Sprachen
den Sieg davontrugen (s. dazu Siegel a. a. 0. 10 und 12).
37. So erklärt sich endlich auch l-bam „ging“, l-bö „werde
gehen“, vgl. die Infinitive Ire : audlre. Daß bei Ire das Imperfekt
*iebam (entsprechend audiebam) nicht begegnet und nicht begeg-
nen kann, wird wieder durch chronologische Erwägungen deutlich:
*ei-bam, l-bam mit Einführung des Stammes l- (bezw. eh, wie in
stä-bat, dä-bat: osk. fufans statt *fuefans, s. o. § 32) herrschte schon,
als man noch audiebam sagte, weil ei- auch in anderen Formen
(wie *eis > Zs, *ei-re>Zre, *eirem > Irem) als Verbalstamm auf-
trat. Mit audlre konnte erst nach der Ausbildung der neuen 4. Kon-
jugation engere Beziehung eintreten, und vielleicht hat Ibam die
Neubildung audlbam noch besonders begünstigt: ein Imperfekt
*iebam aber hat es nie gegeben. Daß freilich bei den Kompositis
von Ire gelegentlich Formen auf -iebam bezeugt sind, ist leicht zu
verstehen: bei ihrer Mehrsilbigkeit wurde das l nicht mehr als
wurzelhafter Bestandteil, sondern als Verbalstamm-Element emp-
funden, wie bereits Sommer Handb.2 537 richtig bemerkt hat.

VII.
38. Es war ein beschwerlicher Weg, auf dem wir die Ant-
wort auf unsere dritte obige Grundfrage zu gewinnen versucht
haben, und wir mußten uns durch manches heiß umstrittene
Gebiet, so gut es ging, hindurchschlagen; dafür gewinnt man
aber bei unserem Standpunkt, wie ich hoffe, die Überzeugung,
daß sich restlos alle Schwierigkeiten der historisch vorliegenden
italischen Imperfektformen erklären. Vor allem hat unsere Lehre
den Vorteil, daß die Neubildungen der italischen Imperfekta in
einen größeren Zusammenhang ähnlicher Formen gestellt werden,
und daß man nicht genötigt ist, jeden Verbindungsfaden zwischen
den italischen und den alten, idg. Formen zu zerschneiden. Es
wäre zweifellos noch eine weitere Stütze für unsere Auffassung,
wenn sich eine ähnliche Umbildung und Umgestaltung alter Wurzel-
aoriste durch Anfügung von Flilfsverben, wie sie auf italo-kelti-
schem Gebiet erfolgt ist, auch noch in anderen idg. Sprachen
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften