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Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 8. Abhandlung): Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37641#0036
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36

Hermann Güntert:

Grdr.2 II, 3, 516, man erwarte als Vorderglied des slav. Imper-
fekts „eher ein partizipiales Wort als ein Verbalabstraktum“, ist
bei unserer Auffassung der Boden entzogen.
41. Wir haben also m. A. für das altslavische Imperfektum
folgenden Entwicklungsgang anzunehmen: Wie die italo-kelti-
schen Bildungen und das Griechische zeigen, war schon in der
Zeit der idg. Urgemeinschaft hier und dort der Ansatz vorhanden
zu zusammengesetzten, periphrastischen Bildungen. Insbesondere
mußten die Wurzelaoriste schwerer Basen deutlicher gekenn-
zeichnet werden: es geschah dadurch, daß an den Aoriststamm
unmittelbar Hilfsverba antraten. Daß man nicht nur ein Hilfs-
verbum, sondern mehrere benutzte, hängt damit zusammen, daß
die genauere Bedeutung dieser Verba genau empfunden wurde, diese
also von Fall zu Fall wechseln mußten; es kommt ebenso auf Fein-
heiten der Aktionsart als auf den Unterschied von „Tat-“ und
„Empfindungsverbum“ an. Obwohl daher diese Hilfsverba sema-
siologisch sich enge berühren, so darf uns nicht wundern, aus dem
angegebenen Grunde verschiedene Sprößlinge der Basen *es- und
*bheuä- „sein“ und *clhe- „tun“ in diesen periphrastischen Bildungen
vertreten zu sehen, wie im periphr. Perfekt des aind. as-, bhü-
und kar- verwendet werden (oben § 16). Wir können auch sonst
im Sprachleben oft eine gewisse Variation des Hilfsverbums bei
solchen umschreibenden Bildungen beobachten: so wird z. B. das
verlorene Futurum des Latein in den meisten roman. Sprachen
durch periphrastische Wendungen von habere mit dem Infinitiv
ausgedrückt (altitalien. canter-aggio, jetzt canterd, franz. chanter-ai
usw.), aber das Rumänische weicht ab und verwendet für sein
Futurum lat. volo als Hilfsverbum (vom face: vel face, cäntd voiü
usw.). Oder um die bevorstehende Handlung auszudrücken, wird
in den romanischen Sprachen teils die Wendung esse per, teils
Stare per gebraucht. Aus diesem Grunde kann ich Sommers Zweifel,
wegen der Verschiedenheit des Hilfsverbums sei der behandelte
Kompositionstypus in seinen Anfängen schwerlich bereits ursprach-
lich gewesen (Krit. Erl. 141), nicht für berechtigt anerkennen.
Das slav. jackb wird also zum Verbum es- „sein“ gehören und aus
*eso7n entstanden sein, wobei Vondrak Gr. 158 auf hom. sov
verweist. Das Nebeneinander von 2. 3. Sing, be < *bhues, *bhuet
und bease weiß von der Entstehung der ältesten Umbildungen zu
erzählen (s. auch o. § 20). Daß vom einzelsprachlichen Standpunkt
 
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