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Weise, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 21. Abhandlung): Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Basilikengrundrisses in den frühesten Jahrhunderten des Mittelalters — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37698#0053
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Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländ. Basilikengrundrisses. 53
Im Grundriß zeigt uns die ältere Klosterkirche zu Bretigny
einen gerade geschlossenen mittleren Chorraum, den etwas kürzere
seitliche Nebenräume umgeben. In welcher Weise letztere mit
dem Hauptchor in Verbindung standen, geben die erhaltenen
Fundamentreste nicht mehr zu erkennen. An die Chorpartie
schloß sich mit gleicher Flucht der seitlichen Außenmauern das
drei Joche zählende Langhaus. Eine Querhausbildung fehlte.
Das Schema, wie wir es hier feststellten, deckt sich mit dem-
jenigen, das ich an anderer Stelle1 als den jüngeren Kirchen-
grundriß fränkischer Zeit glaube nachgewiesen zu haben. Charak-
teristische Eigentümlichkeit dieses Grundrißtypus ist das Fehlen
eines Querhauses und die aus drei gesonderten Räumen bestehende,
gerade geschlossene Ostpartie von gleicher Breite wie das Langhaus.
Verdrängt wird diese Anordnung, wie sie dem gesamten Abendlande
im 7. und 8. Jahrhundert gemeinsam gewesen sein dürfte, im
Frankenreich erst gegen 800 durch den römischen Basiliken-
grundriß mit weitausladendem Querhaus und sich an dieses un-
mittelbar anschließender halbrunder Apside. Llnsere Kirche zeigt
noch das ältere Stadium, wie es auch sonst sich auf französischem
Boden m. E. noch durch weitere Beispiele belegen lassen wird.
Abgesehen von den Gesamtdispositionen des Grundrisses muß
an unserer Kirche die auffallende Art der Anordnung der Lang-
hausstützen als altertümlich gelten. Nicht nur, daß diese durch
rückwärtige Fundamentmauern mit den äußeren Langhauswänden
in Verbindung stehen: ungewöhnlich ist auch die beträchtliche
Größe der quadratischen Pfeilerfundamente, die auf einen ent-
sprechend gestalteten oberen Aufbau der Arkadenträger schließen
läßt. Beides dürfte in einem Fortleben älterer fränkischer Tradi-
tionen begründet sein. An der anderweitig zu veröffentlichenden
Kirche von Chamouille (südlich von Laon) gelang es mir, über dem
Boden erhaltene ansehnliche Teile eines spätkarolingischen Baues
festzustellen und damit einen Ausgangspunkt für die historische
Erkenntnis der architekturgeschichtlichen Entwicklung jener
Gegenden in frühromanischer Zeit zu gewinnen. Wie die früh-
romanischen Bauten des Laonnois zeigt schon Chamouille eine
Absonderung der einzelnen Seitenschiffsjoche durch quergestellte
Gurtbögen als Träger des die Abseiten bedeckenden offenen Pult-
1 Vgl. den schon zitierten Aufsatz „Ein früher karolingischer Kirchen-
grundriß des südwestlichen Deutschlands“ auf S. 130ff. meiner „Unter-
suchungen“.
 
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