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Hugo Koch:
montanistisch braucht also die sittliche Auffassung des Dekretes nicht
zu sein1. Auch die Dreizahl der Todsünden ist nicht montanistisch,
sondern kirchlich — bis zum ‘Edikt’2. Die Montanisten zählten
nicht drei, sondern sieben Todsünden oder noch mehr; De pud.
19, 24: homicidium, idololatria, fraus, negatio, blasphemia, utique
et moechia et fornicatio et si qua alia violatio templi Dei; Adv.
Marc. IV, 9: septem maculis capitalium delictorum: idololatria,
blasphemia, homicidio, adulterio, stupro, falso testimonio, fraude.
Bleibt sich Tertullian in der Aufzählung auch nicht ganz getreu,
so ist doch soviel ersichtlich, daß der Montanist nicht an der
Dreizahl hängt und sie nur zu dem Zwecke wählt, um der katho-
lischen Übung seit dem ‘Edikt’ Mangel an Folgerichtigkeit vorzu-
werfen. Die Dreizahl schützt er vom kirchlichen Standpunkt aus;
wo aber der Punkt der Folge Widrigkeit außer Betracht bleibt,
setzt er der katholischen Zählung seine montanistische gegenüber.
Es ist darum durchaus verfehlt, mit d’Ales (L’eclit de Galliste
197 ff.), Esser, Stufler. und anderen die Dreizahl der unvergeb-
baren Kapitalsünden für eine montanistische Schöpfung anzu-
sehen. Mit Becht erblickt Esser (neuestens in der Zeitschrift
„Theologie und Glaube“, 1916, 472—483) gegen Harnack in
De pud. 19, 25 und Adv. Marc. IV, 9 eine montanistische, nicht
eine katholische Liste. Wie soll aber dann die Dreizahl, neben der
Siebenzahl, gerade montanistisch sein ? Hier offenbart sich ein
weiterer Selbstwiderspruch Essers3.
Eine Bestätigung unserer Auffassung gibt eine Schrift Ter-
tullians, an deren katholischem Ursprung noch niemand gezweifelt
1 Daß zwischen dem westlichen Aposteldekrettext und der Bußdisziplin
der Bischofskirche ein gewisser Zusammenhang besteht, wird sich kaum be-
streiten lassen. Vgl. H. Achelis, Das Christentum in den ersten drei Jahr-
hunderten, 1912, II, 126f.
2 Vgl. Ed. Schwartz, Bußstufen und Katechumenatsklassen, 1911,
8 A. 4.
3 Preuschen (Ztschr. f. neutest. Wiss., 1910, 152) glaubt, daß De
pud. 12, 11 nicht sagen wolle, daß nur die beiden Vergehen des Götzenopfers
und des Mordes von den Gemeinden allgemein als unsühnbar betrachtet
würden. Die Erörterung sei nur im Zusammenhang mit der Behandlung
des Aposteldekretes zu verstehen und gebe keine Andeutung über die beste-
hende Disziplin und die Grundsätze bei der Beurteilung der Sünde. Allein
Tertullians Wendung 12, 5 , sufficit et hic servatum esse moechiae et forni-
cationi locum honoris sui inter idololatriam et homicidium“ deutet doch wohl
an, daß die Unzucht auch in der kirchlichen Übung ihren „Ehrenplatz“
zwischen Götzendienst und Mord hatte.
Hugo Koch:
montanistisch braucht also die sittliche Auffassung des Dekretes nicht
zu sein1. Auch die Dreizahl der Todsünden ist nicht montanistisch,
sondern kirchlich — bis zum ‘Edikt’2. Die Montanisten zählten
nicht drei, sondern sieben Todsünden oder noch mehr; De pud.
19, 24: homicidium, idololatria, fraus, negatio, blasphemia, utique
et moechia et fornicatio et si qua alia violatio templi Dei; Adv.
Marc. IV, 9: septem maculis capitalium delictorum: idololatria,
blasphemia, homicidio, adulterio, stupro, falso testimonio, fraude.
Bleibt sich Tertullian in der Aufzählung auch nicht ganz getreu,
so ist doch soviel ersichtlich, daß der Montanist nicht an der
Dreizahl hängt und sie nur zu dem Zwecke wählt, um der katho-
lischen Übung seit dem ‘Edikt’ Mangel an Folgerichtigkeit vorzu-
werfen. Die Dreizahl schützt er vom kirchlichen Standpunkt aus;
wo aber der Punkt der Folge Widrigkeit außer Betracht bleibt,
setzt er der katholischen Zählung seine montanistische gegenüber.
Es ist darum durchaus verfehlt, mit d’Ales (L’eclit de Galliste
197 ff.), Esser, Stufler. und anderen die Dreizahl der unvergeb-
baren Kapitalsünden für eine montanistische Schöpfung anzu-
sehen. Mit Becht erblickt Esser (neuestens in der Zeitschrift
„Theologie und Glaube“, 1916, 472—483) gegen Harnack in
De pud. 19, 25 und Adv. Marc. IV, 9 eine montanistische, nicht
eine katholische Liste. Wie soll aber dann die Dreizahl, neben der
Siebenzahl, gerade montanistisch sein ? Hier offenbart sich ein
weiterer Selbstwiderspruch Essers3.
Eine Bestätigung unserer Auffassung gibt eine Schrift Ter-
tullians, an deren katholischem Ursprung noch niemand gezweifelt
1 Daß zwischen dem westlichen Aposteldekrettext und der Bußdisziplin
der Bischofskirche ein gewisser Zusammenhang besteht, wird sich kaum be-
streiten lassen. Vgl. H. Achelis, Das Christentum in den ersten drei Jahr-
hunderten, 1912, II, 126f.
2 Vgl. Ed. Schwartz, Bußstufen und Katechumenatsklassen, 1911,
8 A. 4.
3 Preuschen (Ztschr. f. neutest. Wiss., 1910, 152) glaubt, daß De
pud. 12, 11 nicht sagen wolle, daß nur die beiden Vergehen des Götzenopfers
und des Mordes von den Gemeinden allgemein als unsühnbar betrachtet
würden. Die Erörterung sei nur im Zusammenhang mit der Behandlung
des Aposteldekretes zu verstehen und gebe keine Andeutung über die beste-
hende Disziplin und die Grundsätze bei der Beurteilung der Sünde. Allein
Tertullians Wendung 12, 5 , sufficit et hic servatum esse moechiae et forni-
cationi locum honoris sui inter idololatriam et homicidium“ deutet doch wohl
an, daß die Unzucht auch in der kirchlichen Übung ihren „Ehrenplatz“
zwischen Götzendienst und Mord hatte.