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Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0026
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22

Hugo Koch:

in die Kirche einführe“, daß er ihn „mitten“ (in der Kirche)
sich niederwerfen lasse d. h. wohl, daß er den Fleischessünder da
büßen lasse oder wenigstens da losspreche, wo sonst nur Buße
und Lossprechung bei leichteren Sünden ihren Platz habe: Et tu
quidem paenitentiam moechi ad exorandam fraternitatem in
ecclesiam in du eens1, conciliciatum et concineratum cum dede-
core et horrore compositum prosternis in medium ante viduas,
ante presbyteros, omnium lacrimas invadentem, omnium vestigia
lambentem, omnium genua detinentem (vgl. 18, 13: nisi omnium
focorum cineres in ecclesia de capite suo excusserit). Anderer-
seits sagt er aber bei der Aufzählung vergebbarer Sünden 7, 15f.,
daß der Christ dadurch „extra gregem datus est vel et ipse forte
abrupit“, daß er „debet requiri atque revocari“, daß er nicht
„foris“ bleiben dürfe. Das scheint doch einen (vorübergehenden)
Ausschluß aus der Kirche anzuzeigen.
Zur Lösung dieser Schwierigkeit ist fürs erste zu berück-
sichtigen, daß Tertullian 7, 15 f. das Gleichnis vom verlore-
nen Schafe im Auge hat und aus ihm heraus seinem Beweise
1 Rauschen hat hier unter dem Beifall Essers (BKV., Tertullian II,
421, vorsichtiger in der Theol. Revue, 1918, 66) die Lesart der Erstausgabe
des Gangneius wieder aufgenommen: et tu quidem paenitentiae moechi ad
exorandum fraternitatem in ecclesiam inducens etc. („fraternitatem“ ab-
hängig von „inducens“ und „poenitentiae moechi“ dativus finalis, abhängig
von exorandum: selbst du, wenn du die Bruderschaft in die Kirche einführst
zur Fürbitteleistung für den büßenden Ehebrecher usw.). Diese Lesart hat
zwar die größere Schwierigkeit für sich, aber sonst Verschiedenes gegen sich.
Sicher ist, daß Tertullian hier mit der Feierlichkeit, die selbst der milde
katholische Bischof bei der Buße und Lossprechung eines Ehebrechers in
Bewegung setze, die Annahme widerlegen will, daß der in II. Cor. so einfach
losgesprochene Sünder derselbe sei, den der Apostel in I. Cor. so feierlich
ausgeschlossen habe. Allein die Bruderschaft braucht nicht in die Kirche
„eingeführt“ zu werden —· sie ist sowieso zum Gottesdienst versammelt —,
wohl aber der büßende Ehebrecher. Nur so, wenn der „Eingeführte“ der
Ehebrecher ist, geht der Satz mit „conciliciatum et concineratum . . . pro-
sternis in medium“ gut im Gedanken weiter. Freilich heißt es De paen. 10,
worauf Esser verweist: aeque illi (fratres) cum super te lacrimas agunt
Christus patrem deprecatur, aber an unserer Stelle in De pud. erscheinen die
Brüder nicht als die Fürbitter, sondern als die Richter, die der Bischof durch
seine Ansprache und durch die Verdemütigungen des Büßers zum Mitleid
bewegen will (omnium lacrimas invadentem [suadentem], omnium vestigia
lambentem, omnium genua detinentem . . . quantis potes misericordiae inle-
cebris bonus pastor et benedictus papa contionaris = du predigst mit allen
möglichen Reizmitteln des Mitleidens als .guter Hirt und gepriesener Vater1).
Ich halte daher die gewöhnliche Lesart für die richtige.
 
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