Metadaten

Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0055
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kallist und Tertullian.

51

es sich um Christen, denen die von Christus erwirkte Sünden-
nachlassung bereits in der Taufe zuteil geworden war. Schon
Tertullian hat auf diesen Unterschied hingewiesen (De pud. 6, 14ff.
c. 11).
Beachtenswert ist, daß auch die Anhänger Kallists von ihm
sagen: αύτδν άφιέναι τοΐς εύδοκοϋσι, wie ihm selber vorher die
Rede in den Mund gelegt war: πάσιν ύπ’ αύτοΰ άφίεσΤαι άμαρτίας.
Adam bemerkt dazu: „Absichtlich wählt Hippolyt für die Buß-
willigen den Ausdruck τοΐς εύδοκοϋσι, um von neuem zu unter-
streichen, wie sehr Kallist die Zügel der Disziplin auf dem Boden
schleifen ließ. Ob einer für die aufgezählten Vergehen die Kirchen-
buße übernehmen wollte, das bestimmte nicht der Wille des
Bischofs, sondern das ,Gutdünken' der ,Sünder'.“ Damit gibt er
aber selber zu, daß eine milde Bußdisziplin wenigstens mit
im Spiele war, also das, was Tertullian seinem Gegner vorwirft1.
Hippolyt schließt sein Urteil über Kalbst mit den Worten:
ταΰτα μεν ούν ό Ταυμασιώτατος Κάλλιστος συνεστήσατο, ού διαμένει,
τό διδασκαλεΐον φυλάσσον τά έΤη καί τήν παράδοσιν, μή διακρΐνον, τίσι
δει κοινωνεΐν, πασι δ’άκρίτως προσφέρον τήν κοινωνίαν. Es ist nicht
einzusehen, warum dieser zusammenfassende und abschließende
Satz gerade Essers Auffassung bestätigen sollte. Denn zu
denen, die Kallists Kirche kritiklos in ihrer Gemeinschaft duldet,
gehören außer den in ungesetzlicher Ehe (μοιχεία) lebenden
Frauen, den nach der Weihe verehelichten Geistlichen, den
δίγαμοι καί τρίγαμοι im Klerus auch die vielen, die wegen
Fleischessünden anderwärts ausgeschlossen worden waren und,
dürfen wir hinzufügen, auch die Fleischessünder der KaUistschen
Gemeinde selber2.

1 Nicht kommt die Bußzucht in Betracht z. B. bei der Anklage der
Synode von Antiochien gegen den dortigen Bischof (Paul von Samosata),
daß er seinem Klerus das Syneisaktenwesen καί τά άλλα άμαρτήματα άνίατα
οντα συγκρύπτει (Euseb. Η, Ε. VII, 30, 12). Hier ist aber auch von keinem
άφιέναι, die Rede.
2 H. v. Soden bemerkt (Theol. Litztg., 1916, 174), das πάσιν (ύπ’αύτοΰ
άφίεσθαι τάς αμαρτίας) zeige ebenso wie die unmittelbar folgenden Sätze,
daß es sich hier um die Sündenvergebung bei der Aufnahme in die Gemeinde
Kallists handle, speziell um die Behandlung der Häretiker, also wiederum um
eine mehr rechtliche als sittliche Frage. Das ist richtig, aber nur halb. Denn
dieselbe Frage hat auch eine stark sittliche Seite, weil es sich um die sittliche
Vergangenheit der Aufzunehmenden handelt und Kallist darüber .hinwegsah.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften