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Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0068
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Hugo Koch:

nicht gerade ein Bischof angeredet sein muß. Aber ebensowenig
muß die Stelle auf Karthago abzielen. Die Anschauung der hier
geschilderten Vorgänge mag Tertullian aus seiner nächsten Um-
gebung gewonnen haben, aber diese sind ihm eben bezeichnend
für die katholischen Zustände. „So geht es bei euch Katholiken
zu“, will er sagen, nicht etwa bloß „bei euch Katholiken von
Karthago und Afrika“1.
Als Seitenstück zu Tertullians Spott kann die boshafte
Schilderung dienen, die sein Zeitgenosse Lucian im Peregrinus
c. 12f. von den Besuchen der Christen im Gefängnis entwirft:
„Als Peregrinus gefangen gesetzt worden war, faßten die Christen
die Sache als ein gemeinsames Unglück auf und setzten bei ihren
Versuchen, ihn loszubekommen, alles in Bewegung. Da sich dies
jedoch als unausführbar erwies, so ward wenigstens in jeder andern
Beziehung, nicht bloß gelegentlich, sondern nachhaltig für ihn
gesorgt. Gleich am frühen Morgen konnte man in der Umgebung
des Gefängnisses alte Witwen und Waisenkinder warten sehen;
die leitenden Männer unter ihnen bestachen die Gefängniswächter,
um drinnen bei ihm schlafen zu können. Dann wurden Mahl-
zeiten von vielen Gerichten hineingeschafft, ihre heiligen Sprüche

1 Darum beweisen die Punkte, die nach Adam (S. 49ff.) nur für Afrika,
nicht für Rom zutreffen, selbst wenn dies der Fall sein sollte, noch nicht,
daß auch das „Edikt“ afrikanischen Ursprunges sein müsse. -— Vielleicht
darf noch an Cyprian Ep. 71, 2 erinnert werden, wo der Bischof von Karthago
schreibt: „Et dicunt se in hoc veterem consuetudinem sequi, quando apud
veteres haereseos et schismatum prima adhuc fuerint initia, ut hi illic essent,
qui de ecclesia recedebant et hic baptizati prius fuerant: quos tune ad eccle-
siam revertentes et paenitentiam agentes necesse non erat baptizare. Quod
nos hodie quoque observamus, ut quos constat hic baptizatos esse et a nobis
ad haereticos transisse, si postmodum peccato suo cognito et errore digesto
ad veritatem et matricem redeant, satis sit in paenitentia manum im-
ponere.“ Dazu bemerkt jetzt auch Ernst (Cyprian und das Papsttum, 1912,
97), daß sich das „hic“ und „a nobis“ nicht auf die karthagische Einzelkirche,
sondern auf die katholische Gesamtkirche beziehe. Ähnlich sagt Wendland
(Die urchristlichen Literaturformen2 u. 3, 1912, 371 u. 373) vom Jakobusbrief,
vom Hebräerbrief und vom 1. Petrusbrief, daß ihre Verfasser in ihren Schil-
derungen, Anspielungen und Mahnungen zwar von den Erfahrungen in ihren
Gemeinden ausgegangen sein werden, aber sich doch an die ganze Christen-
heit gewandt hätten. Auch im Hirten des Hermas „sind die aus persönlichen
Erfahrungen und Erlebnissen in seiner Familie abgeleiteten Offenbarungen
zu einer Büßpredigt an die ganze Kirche und zu einer Forderung der Refor-
mation geworden“ (Wendland, a. a. O., S. 387).
 
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