Kallist lind Tertullian.
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Koch, Ztschr. f. wiss. Theo]., 1913, 309ff. und Ztschr. f. neutest.
Wiss., 1917/18). Daß er tatsächlich den Oberbischof gespielt habe,
ist uns aus dem Spotte Tertullians wahrscheinlich geworden.
Jedenfalls ist ihm Petrus der erste Träger der kirchlichen Amts-
gewalt und damit auch Urbild und Vertreter der Bischofskirche.
Aber erst aus der Zeit Cyprians erfahren wir unzweideutig, daß
die römischen Bischöfe für sich die cathedra Petri im engeren
und höheren Sinne in Anspruch nahmen.
Wie stellt sich nun Tertullian zu Kallists Anschauung ? Zu-
nächst bestreitet er, daß mit Mt. 16, 18 f. eine dauernde Amts-
gewalt geschaffen worden sei: die Macht zu binden und zu lösen
sei vielmehr dem Petrus ,,personaliter“ gegeben worden (De pud.
21, 10). Dann läßt er die vorbildliche Bedeutung Petri gelten, nur
ist ihm Petrus nicht der erste Amtsträger, sondern der erste
Geistesträger, Urbild nicht der Amtsperson, des Bischofs, sondern
des Spiritalen, des Geistesmannes, Vertreter nicht der Bischofs-
kirche, sondern der Geisteskirche: „Quid nunc et ad ecclesiam,
et quidem tuam, psychice ? Secundum enim Petri personam
spiritalibus potestas ista conveniet: aut apostolo aut prophetae.
Nam et ipsa ecclesia proprie et principaliter ipse est spiritus. . . .
Et ideo ecclesia quidem delicta donabit; sed ecclesia spiritus per
spiritalem hominem, non ecclesia numerus episcoporum“ (21,16f.)1.
Auch dieser Gedankengang verrät, daß es sich nicht um die
Bedeutung der Kirche Petri, der römischen Kirche, sondern um
die Bedeutung der Person Petri für die Sündennachlassungsgewalt
handelt2, also wohl eine Beziehung zu Petrus, aber nicht gerade
eine Verbindung mit der römischen Kirche in Betracht kommt.
Aus Tertullian ist demnach für einen römischen Lehr- und
Rechtsprimat nichts zu gewinnen. Dem Montanisten ist Petrus
der erste Geistesträger und damit Vorbild eines Geistesmannes.
Der Katholik aber betrachtet alle Kirchen, die unmittelbar oder
mittelbar auf die Apostel zurückgehen, als apostolisch. Alle zu-
sammen bilden eine große Einheit, die auf ein- und derselben
1 Zum Kampf des πνευματικός mit der Bischofskirche vgl. R. Reitzen-
stein, Historia Monachorum und Historia Lausiaca. Eine Studie zur Ge-
schichte des Mönchtums und der frühchristlichen Begriffe Gnostiker und
Pneumatiker. Göttingen 1916, S. 185 ff.
2 Vgl. Adams Ausführungen in der Theol. Quartalschr., 1912, 206ff.
In seiner neuesten Schrift S. 48 äußert er sich, wie schon bemerkt wurde,
römischer.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 22. Abh.
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Koch, Ztschr. f. wiss. Theo]., 1913, 309ff. und Ztschr. f. neutest.
Wiss., 1917/18). Daß er tatsächlich den Oberbischof gespielt habe,
ist uns aus dem Spotte Tertullians wahrscheinlich geworden.
Jedenfalls ist ihm Petrus der erste Träger der kirchlichen Amts-
gewalt und damit auch Urbild und Vertreter der Bischofskirche.
Aber erst aus der Zeit Cyprians erfahren wir unzweideutig, daß
die römischen Bischöfe für sich die cathedra Petri im engeren
und höheren Sinne in Anspruch nahmen.
Wie stellt sich nun Tertullian zu Kallists Anschauung ? Zu-
nächst bestreitet er, daß mit Mt. 16, 18 f. eine dauernde Amts-
gewalt geschaffen worden sei: die Macht zu binden und zu lösen
sei vielmehr dem Petrus ,,personaliter“ gegeben worden (De pud.
21, 10). Dann läßt er die vorbildliche Bedeutung Petri gelten, nur
ist ihm Petrus nicht der erste Amtsträger, sondern der erste
Geistesträger, Urbild nicht der Amtsperson, des Bischofs, sondern
des Spiritalen, des Geistesmannes, Vertreter nicht der Bischofs-
kirche, sondern der Geisteskirche: „Quid nunc et ad ecclesiam,
et quidem tuam, psychice ? Secundum enim Petri personam
spiritalibus potestas ista conveniet: aut apostolo aut prophetae.
Nam et ipsa ecclesia proprie et principaliter ipse est spiritus. . . .
Et ideo ecclesia quidem delicta donabit; sed ecclesia spiritus per
spiritalem hominem, non ecclesia numerus episcoporum“ (21,16f.)1.
Auch dieser Gedankengang verrät, daß es sich nicht um die
Bedeutung der Kirche Petri, der römischen Kirche, sondern um
die Bedeutung der Person Petri für die Sündennachlassungsgewalt
handelt2, also wohl eine Beziehung zu Petrus, aber nicht gerade
eine Verbindung mit der römischen Kirche in Betracht kommt.
Aus Tertullian ist demnach für einen römischen Lehr- und
Rechtsprimat nichts zu gewinnen. Dem Montanisten ist Petrus
der erste Geistesträger und damit Vorbild eines Geistesmannes.
Der Katholik aber betrachtet alle Kirchen, die unmittelbar oder
mittelbar auf die Apostel zurückgehen, als apostolisch. Alle zu-
sammen bilden eine große Einheit, die auf ein- und derselben
1 Zum Kampf des πνευματικός mit der Bischofskirche vgl. R. Reitzen-
stein, Historia Monachorum und Historia Lausiaca. Eine Studie zur Ge-
schichte des Mönchtums und der frühchristlichen Begriffe Gnostiker und
Pneumatiker. Göttingen 1916, S. 185 ff.
2 Vgl. Adams Ausführungen in der Theol. Quartalschr., 1912, 206ff.
In seiner neuesten Schrift S. 48 äußert er sich, wie schon bemerkt wurde,
römischer.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 22. Abh.