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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 9. Abhandlung): Vom goettlichen Wohlgeruch — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37686#0040
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Ernst Lohmeyer:

anfänglichen Substanzen sind Licht und Dunkel; in deren Mitte
ist das lautere Pneuma. Das Pneuma, das in der Mitte zwischen
dem Dunkel, dem Drunten, und dem Licht, dem Droben, seine
Stätte hat, ist nicht ein Pneuma, wie Windessturm oder ein zarter
sinnlich spürbarer Hauch, sondern wie einer Salbe Duft oder eines
durch Mischung zubereiteten Rauchwerks zarte Kraft, die mit un-
begreiflichem und alle Worte übersteigenden Wohlgeruch sich aus-
breitet. Da aber das Licht droben und drunten das Dunkel ist,
und in der Mitte wie gesagt das Pneuma, so dringt das Licht wie
ein Sonnenstrahl von droben in das drunten liegende Dunkel,
und wiederum der in der Mitte schwebende Duft des Pneumas
breitet sich aus und dringt nach allen Seiten, wie wir es an dem
im Feuer verbrannten Weihrauch erkennen, dessen Duft nach
allen Seiten dringt.Das Dunkel aber ist nicht unverständig,
sondern gar verständig; es weiß, daß das Dunkel, würde es des
Lichtes beraubt, öde bleibt, ohne Glanz, ohne Licht, ohne Kraft,
wirkungslos und schwach. Deswegen ist es genötigt, mit aller
Vernunft und Klugheit den Strahl und Funken des Lichtes in
sich zu bewahren, ebenso wie den Duft des Pneumas“1.
Hier ist der Gedanke vom göttlichen Duft nicht mehr Symbol
des Göttlichen, sondern der Duft ist das Göttliche selbst; was dem
Griechen nur Symbol und Zeichen war, ist hier das Wesen selbst2.
Denn der unaufhebbare Dualismus dieser Religion findet für diese
Welt und diese Erde nur dann Sinn und Recht, wenn sie ihm zum
Raum und Schauplatz der Epiphanie ewig erdenferner göttlicher
Mächte geworden ist; so werden die Formen solcher Epiphanien
zum Wesen des Göttlichen selbst, wobei alles Leiblich-Sinnliche
der griechischen Form zum „Unbegreiflichen“ sich verflüchtigt.
Und doch schimmert auch jetzt noch die alte griechische Vor-
stellung durch; Licht und Duft sind auch hier — wie später,
freilich in ganz anderem Sinne, in der christlichen Legende des
1 Hipp., Refut. V, 19, 2 — 6; ebenso X, 11,2—4. Vgl. ferner V, 19,13. 14.
21, 2. 3.; X, 11, 9: τούτον δέ είναι πνεύμα άνέμου λέγουσι τέλειον D-εόν <δν>>
έκ τής των ύδάτων καί τής του πνεύματος εύωδίας καί φωτός λαμπηδόνος γεγονέναι.
2 Bousset, a. a. Ο. S. 120. 301, nimmt orientalischen Ursprung der
Duftvorstellung an. Aber nichts zwingt dazu, die gnostischen Gedanken allein
aus dem Parsismus herzuleiten. Die Duftvorstellung ist offenbar allgemein
religiöses Gut der antiken Völker gewesen. Das Eindringen orientalischer
Anschauungen mag die Geltung der Duftvorstellung im Gnostizismus ver-
stärkt haben; das Wesentliche des Gedankens ist aus griechischen mythischen
Vorstellungen begreiflich.
 
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