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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 12. Abhandlung): Vom doppelten Sinn der sprachlichen Formen — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37779#0008
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Hermann Ammann:

Vorstellungen. Man braucht nur unanschauliche Vorstellungen ein-
zusetzen, z. B. der Knabe dividiert — ein Knabe dividiert, und das
Gefühl der Leere, das im zweiten Fall entstehen muh, wenn wir
ein als Artikel und nicht als Zahlwort ( ... . ein anderer multi-
pliziert) fassen, ist genau dasselbe wie in ein Glas ist trüb.
Von ganz anderer Art sind Sätze wie Eine Gerade ist die
kürzeste Verbindung zweier Punkte; hier ist es die Gültigkeit der
behaupteten Beziehung, die unser Denken beschäftigt. Von solchen
Fällen soll zunächst nicht die Rede sein.
Somit sehen wir, daß zu der Verbindung von Vorstellungen,
wie sie in ein Glas ist trüb vorliegt, irgend etwas hinzukommen muß,
um sie als sprachliche Wirklichkeit denkbar erscheinen zu lassen,
um sie sozusagen genießbar zu machen. Dies kann das beziehungs-
lose Anteilnehmen an den Vorstellungen selbst sein, sofern diese
danach beschaffen sind, uns zu fesseln, zu spannen, zu beschäftigen.
In der Wirklichkeit des sprachlichen Verkehrs wird aber meist jenes
Moment den Ausschlag geben, das auch unplastischen Aussagen
den Charakter wirklicher sprachlicher Begebenheiten gibt: die durch
den bestimmten Artikel erregte Vorstellung, daß es sich um ein
bestimmtes, in eindeutiger Beziehung gegebenes Haus oder Glas,
um einen bestimmten, bekannten Jungen handle.
Mit dieser Erkenntnis tun wir den entscheidenden Schritt über
die Theorien Wundts sowohl wie Pauls hinaus, die beide im Vor-
stellungsmäßigen befangen bleiben, ohne daß wir erfahren, wie wir
eigentlich dazu kommen, Gesamtvorstellungen analytisch zu gliedern
o ler Einzelvorstellungen zum Ganzen des Satzes zu verbinden, und
vor allem, wie wir dazu kommen, andere an diesen Akten Anteil
nehmen zu lassen. Die normale sprachliche Äußerung, in
der wir weder spielerisch-schöpferisch Vorstellungen zur ästhetischen
Bildeinheit verbinden, noch Begriffe zur logischen Einheit des Urteils
zusammenfügen, setzt das Vorhandensein einer Beziehung
des Gegenstandes der Äußerung zu uns voraus.
Nicht notwendig findet der Träger dieser Beziehung auch
sprachlichen Ausdruck; und nicht notwendig „meinen“ die Sprach-
elemente, die von Hause aus diese Beziehung ausdrücken, also
Namen und hinweisende Pronominalien, immer einen solchen Be-
ziehungsträger.
Nicht notwendig ist auch im psychischen Bild diese Beziehung
aktuell, bewußt losgelöst von andern Vorstellungen und Beziehungen,
lebendig. Das Ich als Träger dieser Beziehung bei der Interjektion,
 
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