Studien zur Spätscholastik. I.
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solche Züge vermutlich noch seine Beliebtheit unter den Zech-
genossen. So begreift sich leicht die Tatsache, daß seine Rück-
kehr von der ersten Gesandtschaft nach Avignon gleich zweimal
gefeiert wurde und nachher bei der Rechnungslegung eine böse
Ebbe in der Zunftkasse zutage trat ob allzu großer Fröhlichkeit
hei diesem „Willkomm“. Man ist versucht, hinter allen diesen
Einzelheiten den Charakterzug eines kräftigen Behagens am irdi-
schen Dasein zu erkennen, wie er zu den eigentümlichen Anlagen
des niederländischen Stammes gehört1. Jedenfalls paßt das alles
wenig zu dem mönchischen Idealbilde des sich kasteienden From-
men, das später sein Leichenredner von ihm den bewundernden
Zuhörern ausmalte2. Wenigstens in der Pariser Zeit scheint Mar-
silius auch innerlich ganz zu dem recht weltlichen Kreise der deut-
schen Zunftgenossen gehört zu haben. Dafür spricht auch das
einzige Selbstzeugnis persönlicher Art, das wir von ihm besitzen:
sein Schreiben aus Tivoli von der zweiten Gesandtschaft 1378, in
dem er — freilich aus großen Gefahren heraus — sich fortsehnt zu
den Pariser Kollegen und gerne zwei Jahre lang auf das Fleisch-
essen verzichten würde, wenn er nur wieder unter ihnen sein könnte3.
Und so erscheint er denn auch als der anerkannte Führer
der deutschen Magister in den Kämpfen, die sie um ihre Gleich-
berechtigung an dem Pariser Studienbetriebe zu führen hatten
und die zunehmend ernsthafter wurden. Man pflegt den Ursprung
dieser Kämpfe in den großen Spannungen des kirchlichen Schismas
zu erblicken. Jedoch läßt sich erkennen, daß schon vorher die
Stellung der deutschen Nation schwierig zu werden begann.
Von der Ausdehnung und dem gegenseitigen Zahlenverhältnis
der Pariser akademischen Korporationen um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts haben wir keine bestimmte Vorstellung. Im Vergleich zu
den späteren deutschen Universitäten war die Gesamtzahl zweifellos
gewaltig; die Zahl der Scholaren dürfte, nach der Besetzung der
etwa 50 Kollegienhäuser zu schließen, zwischen 1 — 2000 liegen4;
1 Es ist vielleicht doch kein Zufall, daß die Akten der Nation nur ein
einziges Mal über eine Festfeier des bekanntlich überaus ernst, ja asketisch
gerichteten Heinrich von Langenstein berichten; dabei handelt es sich um die
offizielle Feier seines theologischen Grades, und wir hören nur von Geldver-
legenheit, in der er sich befand. (Auct. I, 485.)
2 Adam, 125-132. S. u. p. 40.
3 Chart. III, p. 554.
4 Vgl. Denifle Univ. I 96, ferner Einleitg. z. Chart. III, Auct. I u. ö.
Budzinsky p. 6 ff. Thurot 127, 33.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1921. 4. Abh.
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solche Züge vermutlich noch seine Beliebtheit unter den Zech-
genossen. So begreift sich leicht die Tatsache, daß seine Rück-
kehr von der ersten Gesandtschaft nach Avignon gleich zweimal
gefeiert wurde und nachher bei der Rechnungslegung eine böse
Ebbe in der Zunftkasse zutage trat ob allzu großer Fröhlichkeit
hei diesem „Willkomm“. Man ist versucht, hinter allen diesen
Einzelheiten den Charakterzug eines kräftigen Behagens am irdi-
schen Dasein zu erkennen, wie er zu den eigentümlichen Anlagen
des niederländischen Stammes gehört1. Jedenfalls paßt das alles
wenig zu dem mönchischen Idealbilde des sich kasteienden From-
men, das später sein Leichenredner von ihm den bewundernden
Zuhörern ausmalte2. Wenigstens in der Pariser Zeit scheint Mar-
silius auch innerlich ganz zu dem recht weltlichen Kreise der deut-
schen Zunftgenossen gehört zu haben. Dafür spricht auch das
einzige Selbstzeugnis persönlicher Art, das wir von ihm besitzen:
sein Schreiben aus Tivoli von der zweiten Gesandtschaft 1378, in
dem er — freilich aus großen Gefahren heraus — sich fortsehnt zu
den Pariser Kollegen und gerne zwei Jahre lang auf das Fleisch-
essen verzichten würde, wenn er nur wieder unter ihnen sein könnte3.
Und so erscheint er denn auch als der anerkannte Führer
der deutschen Magister in den Kämpfen, die sie um ihre Gleich-
berechtigung an dem Pariser Studienbetriebe zu führen hatten
und die zunehmend ernsthafter wurden. Man pflegt den Ursprung
dieser Kämpfe in den großen Spannungen des kirchlichen Schismas
zu erblicken. Jedoch läßt sich erkennen, daß schon vorher die
Stellung der deutschen Nation schwierig zu werden begann.
Von der Ausdehnung und dem gegenseitigen Zahlenverhältnis
der Pariser akademischen Korporationen um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts haben wir keine bestimmte Vorstellung. Im Vergleich zu
den späteren deutschen Universitäten war die Gesamtzahl zweifellos
gewaltig; die Zahl der Scholaren dürfte, nach der Besetzung der
etwa 50 Kollegienhäuser zu schließen, zwischen 1 — 2000 liegen4;
1 Es ist vielleicht doch kein Zufall, daß die Akten der Nation nur ein
einziges Mal über eine Festfeier des bekanntlich überaus ernst, ja asketisch
gerichteten Heinrich von Langenstein berichten; dabei handelt es sich um die
offizielle Feier seines theologischen Grades, und wir hören nur von Geldver-
legenheit, in der er sich befand. (Auct. I, 485.)
2 Adam, 125-132. S. u. p. 40.
3 Chart. III, p. 554.
4 Vgl. Denifle Univ. I 96, ferner Einleitg. z. Chart. III, Auct. I u. ö.
Budzinsky p. 6 ff. Thurot 127, 33.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1921. 4. Abh.