Metadaten

Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 4. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 1: Marsilius von Inghen und die okkamistische Schule in Deutschland — Heidelberg, 1921

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37794#0030
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
30

Gerhard Ritter:

unerträglich. Höchst unerquickliche Streitigkeiten innerhalb der
Korporation, mit den schottischen und einigen clementistisch geson-
nenen, intrigierenden deutschen Mitgliedern, verschärften die Lage
noch mehr. Schon seit 1381 verlangte die Universität Teilung in
der Verwaltung des Archivs zwischen deutschen und schottischen
Magistern: so stark war das gegenseitige Mißtrauen schon gestiegen1!
Jetzt, im Oktober 1382, kam es zu offenem Bruch. Bei der Beratung
über die Frage, ob ein Rotulus an Clemens VII. abzusenden sei,
gingen die Unzufriedenen in offener Universitätsversammlung in
das Lager der Gegner über: sie riefen den Rektor und die Uni-
versität zu Hilfe gegen ihre eigene Korporation, deren Mehrheit
auf dem alten Standpunkt verharrte, und hatten damit vollen
Erfolg: in rücksichtsloser, ja demütigender Form, ohne Beachtung
zwang der Rektor Johannes Luqueti der Nation die Zurücknahme
ihrer Beschlüsse auf: sie mußte die Promotionen des schismatischen
Kanzlers nachträglich sämtlich anerkennen: ja man drohte ihr
mit Vornahme des Aktes vor versammelter Universität, ihrem
Kassenwart, dem alten Jordanis de Clivis, mit Haftbarkeit für alle
nicht eingezogenen Gebühren2! Die Opposition hatte ihr Ziel
erreicht. Gegen Ende des Jahres besaß sie die unbestrittene Mehr-
heit im Konvent, und Johannes Luqueti, der auf allgemeine Betei-
ligung an dem neuen Rotulus gedrängt hatte, sah jeden Wider-
stand beseitigt. Selbst einer offenen Erklärung der Universität
für den Gegenpapst widersprach die natio Anglicana, wenn auch
unter gewissen Klauseln, nicht länger3 4. Aber mit ihrer äußeren
und inneren Bedeutung war es zu Ende. Von der Unwissenheit
des neuen Prokurators zeugt das Latein seiner Akten; kleinliche
Gehässigkeiten erfüllen jetzt die Verhandlungen. Zu Anfang des
neuen Jahres fehlte der Kasse sogar das Geld nicht nur zu den
gewohnten Frühschoppen, sondern ebenso zur Bestellung des
gewöhnlichen Gesandten und zur gemeinsamen Bestreitung der
Kosten des Rotulus1. Bald schweigen die Akten völlig, um erst
im Jahr 1392 von neuen, für die Gegner Avignons weit günstigeren
Verhältnissen zu erzählen. Bis dahin überließen die Deutschen
den andern das Feld. Die Periode höchsten politischen Glanzes
1 Auct. I, 672. 2 Ibidem 628-32.
3 Auct. I, 636 — 7, 640 — 52 passim, 654. Chart. III, nr. 1650 — 1.
4 Verhandlungen: Auct. I. 633, 644 — 6, 651, Leere Kasse: ibid. 653,
651, 643. Der rotulus von 1387 weist nur 4 Mitglieder der natio Anglicana auf.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften