Studien zur Spätseholastik. I.
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wurde. Die entschlossene, ja radikale Konsequenz insbesondere
des Franzosen Nik. von Oresme schritt andeutungsweise bereits zu
einer rationalen Mechanisierung der gesamten Weltbewegung fort,
die, einmal angetrieben, durch ihre eigene Schwungkraft sich auch
selbst erhalten könnte ohne den beständigen Antrieb des Schöpfers
und Erhalters1. Von alledem ist in der Lehre des Marsilius keine
Andeutung zu finden2. Es scheint auch nicht, daß er eine zurei-
chende Vorstellung von der Tragweite der Impetus-Theorie hatte.
Wenn er in der Erörterung der aristotelischen These, daß zu jeder
Bewegung eine „Berührung“ des Bewegers mit dem Bewegten
notwendig sei, die Lehre vom Impetus nicht einmal erwähnt3, und
wenn er an anderer Stelle die Tatsache der Loslösung des durch
„Schwungkraft“ fortgetriebenen, geschleuderten Körpers von
seinem ursprünglichen Antrieb so wenig begreift, daß er das un-
mittelbare Innewohnen des impetus in dem bewegten Körper
geradezu für eine Stütze der genannten aristotelischen These hält4,
so wird klar, daß er die im Begriff des impetus schlummernde
moderne Vorstellung von der Trägheit der Masse nicht verstanden
hat. Okkam war auch an diesem Punkte radikaler fortgeschritten,
als seine Nachfolger: er dachte sich die Bewegung des Geschosses
nach dem Abschuß als eine unmittelbare Fortsetzung der Anfangs-
bewegung, ohne daß es einer besonderen neuen Erklärung bedürfte5.
Marsilius glaubte, durch den impetus die Absicht des Aristoteles
auf einem verbesserten Wege, aber doch mit dem aristotelischen
Ziele vor Augen, zu erreichen.
Ebensowenig geht es aus den von uns betrachteten natur-
wissenschaftlichen Schriften hervor, ob unser Autor die neuen
Theorien seiner Schule über die Schwerkraft auf das vielerörterte
Problem der Pluralität der Welten angewandt hat. Aristoteles
hatte für die Einmaligkeit des Universums außer der Undenkbar -
keit des Raumes jenseits unserer begrenzten Welt vor allem die
Anziehungskraft des Schwergewichtszentrums unserer Welt auf
1 Duhem III, 350ff.
2 Das zeigt insbesondere die Erörterung der conservatio mundi durch
Gott, lib. sent. II, qu. 1, art. 2, Bl. 202ff
3 Abbrev. phys. 62, s. o. S. 103, Not. 2.
4 Ibid. Bl. 80 a: Proiectum movetur a virtute sibi impressa a proiciente,
quam aliqui et communiter vocant impetum . . . non ab aere . . . non a proiciente
immediate . . . Cum proiciens non est simul cum moto, igitur non videtur, a quo
movetur, nisi a tali re.
5 Duhem II, 193.
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wurde. Die entschlossene, ja radikale Konsequenz insbesondere
des Franzosen Nik. von Oresme schritt andeutungsweise bereits zu
einer rationalen Mechanisierung der gesamten Weltbewegung fort,
die, einmal angetrieben, durch ihre eigene Schwungkraft sich auch
selbst erhalten könnte ohne den beständigen Antrieb des Schöpfers
und Erhalters1. Von alledem ist in der Lehre des Marsilius keine
Andeutung zu finden2. Es scheint auch nicht, daß er eine zurei-
chende Vorstellung von der Tragweite der Impetus-Theorie hatte.
Wenn er in der Erörterung der aristotelischen These, daß zu jeder
Bewegung eine „Berührung“ des Bewegers mit dem Bewegten
notwendig sei, die Lehre vom Impetus nicht einmal erwähnt3, und
wenn er an anderer Stelle die Tatsache der Loslösung des durch
„Schwungkraft“ fortgetriebenen, geschleuderten Körpers von
seinem ursprünglichen Antrieb so wenig begreift, daß er das un-
mittelbare Innewohnen des impetus in dem bewegten Körper
geradezu für eine Stütze der genannten aristotelischen These hält4,
so wird klar, daß er die im Begriff des impetus schlummernde
moderne Vorstellung von der Trägheit der Masse nicht verstanden
hat. Okkam war auch an diesem Punkte radikaler fortgeschritten,
als seine Nachfolger: er dachte sich die Bewegung des Geschosses
nach dem Abschuß als eine unmittelbare Fortsetzung der Anfangs-
bewegung, ohne daß es einer besonderen neuen Erklärung bedürfte5.
Marsilius glaubte, durch den impetus die Absicht des Aristoteles
auf einem verbesserten Wege, aber doch mit dem aristotelischen
Ziele vor Augen, zu erreichen.
Ebensowenig geht es aus den von uns betrachteten natur-
wissenschaftlichen Schriften hervor, ob unser Autor die neuen
Theorien seiner Schule über die Schwerkraft auf das vielerörterte
Problem der Pluralität der Welten angewandt hat. Aristoteles
hatte für die Einmaligkeit des Universums außer der Undenkbar -
keit des Raumes jenseits unserer begrenzten Welt vor allem die
Anziehungskraft des Schwergewichtszentrums unserer Welt auf
1 Duhem III, 350ff.
2 Das zeigt insbesondere die Erörterung der conservatio mundi durch
Gott, lib. sent. II, qu. 1, art. 2, Bl. 202ff
3 Abbrev. phys. 62, s. o. S. 103, Not. 2.
4 Ibid. Bl. 80 a: Proiectum movetur a virtute sibi impressa a proiciente,
quam aliqui et communiter vocant impetum . . . non ab aere . . . non a proiciente
immediate . . . Cum proiciens non est simul cum moto, igitur non videtur, a quo
movetur, nisi a tali re.
5 Duhem II, 193.