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Meister, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 3. Abhandlung): Die Hausschwelle in Sprache und Religion der Römer — Heidelberg, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.38945#0014
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Karl Meister:

sublimem nicht mehr als 'über die Schwelle, hinein5 verstanden
werden, sondern als 'in die Höhe gehoben5. Diese Interpretation
wird durch den weiteren Zusammenhang, in dem diese Worte
stehen, vollauf bestätigt. Der Sprecher (selbst ein Sklave) möchte
ja den bösen Sklaven, der hier Objekt ist, nicht ins Haus tragen,
sondern ihn mitten um den Leib fassen, ihn hoch emporheben
und mit dem Kopf auf das Straßenpflaster schlagen. Natürlich
hat sich diese Veränderung nicht an sublimem selbst vollzogen,
sondern sie ist eine Folge der Bedeutungsverschiebung, die die
Wendung durchgemacht hat, deren Teil sublimen bildet. Wir er-
innern uns, daß schon in dem plautinischen sublimen rarere (au-
ferre, ferre) intro (foras, domum) unser sublimen entbehrlich zu sein
schien. Nun liegt in der menschlichen Sprache die Tendenz,
Überflüssiges zu beseitigen entweder durch Verschwindenlassen
oder durch Bedeutungsdifferenzierung des Gleichwertigen1. In der
Entwicklung unsrer Wendung ist der zweite Fall eingetreten2.
Der Begriff des 'hinein hinaus5 konzentrierte sich auf intro usw.,
auf sublimen wurde der Teil der in der Wendung liegenden Gesamt-
vorstellung übertragen, für den noch kein sprachlicher Ausdruck
vorhanden war3. Dieser Teil war die Vorstellung des Gehoben-
werdens. Da die Wendung, wie unsere Belege zeigen, gern da
gebraucht wurde, wo jemand zur Bestrafung ins Haus oder aus
dem Haus gebracht wurde, und da für solche Handlungen über-
treibende Ausdrücke geläufig sind, ist es begreiflich, daß sich der
Begriff des Gehobenwerdens zu dem des Hoch-Gehobenwerdens
verschob.
Durch eine erhebliche Verschiedenheit der Form und der Be-
deutung erscheint das terentianische sublimem von dem ursprüng-
1 H. Paul, Prinzipien d. Sprachgeschichte, S. 253.
2 Die Erhaltung des sublimen wurde durch die Neigung des Altlateins be-
günstigt, den Verbalbegrifi durch sinnverwandte Adverbia zu verstärken: currere
(volare) curriculo Mo. 362, Pers. 199, novisse meditate Mil. 40, callere docte (per-
docte probe) Mo. 279 u. a., ut docte et perspecte sapit Mil. 757.
3 Der hier vorliegende Vorgang bedarf noch der psychologischen Unter-
suchung. Das Wesentliche dabei scheint eine neue Verteilung der Inhalte der
Gesamtvorstellung auf die einzelnen Glieder der rein gedächtnismäßig erhaltenen
Phrase zu sein. In den bekannten Werken von Paul, Sandfeld-Jensen, Wundt
ist dieser Fall nicht behandelt; auf dem Gebiete der lateinischen Sprache ist der
Bedeutungswandel im allgemeinen noch wenig untersucht worden, so reich
die klassisch-philologische Literatur an Untersuchungen über Einzelwörter
auch ist.
 
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