Metadaten

Meister, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 3. Abhandlung): Die Hausschwelle in Sprache und Religion der Römer — Heidelberg, 1925

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38945#0021
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Hausschwelle.

21

Die augusteischen Dichter, besonders Vergil, nehmen nach
dem Vorgang von Lucilius, Lucretius und Catull an dem auf-
fälligen Gebrauch von Urnen teil, ja sie sind über die in der Prosa
gezogenen Grenzen weit hinausgegangen. Neben die Form Urnen
haben sie den Plural limina1 (nur oder fast nur im Nom. Acc.)
gestellt, der nicht ohne weiteres, wie es üblich ist, den Beispielen
des "poetischen Plurals' gleichgestellt werden darf. Denn während
zwischen den poetischen colla mella silentia und den entsprechenden
Singularformen der Prosa kein Unterschied der Bedeutung besteht,
ist limina meistens etwas anderes als das prosaische Urnen: Es be-
zeichnet den Türrahmen2, die Tür, den Eingang, oder auch das
genannte Gebäude (fast stets Palast oder Tempel). Ich vermute,
daß ursprünglich limina im pluralischen Sinn als Ober- und Unter-
schwelle verstanden worden ist3, als Urnen superum und Urnen in-
ferum: Aus dem Gruß des Scheidenden (Plaut. Merc. 830) erhellt,
welche Bedeutung diese im Vorstellungskreis des alten Römers ge-
habt haben müssen, und zur Bezeichnung des Eingangs oder Tür-
rahmens eigneten sie sich nicht weniger als die Türpfosten, postes.
Allerdings ist manchmal, wohl im Zusammenhang mit der Ent-
wicklung des poetischen Plurals und poetischen Singulars, limina
in der Poesie auch zur Bezeichnung der Schwelle verwendet worden4,
wie umgekehrt Urnen gelegentlich die Bedeutungen des Plurals mit
übernommen hat5, so daß dem Dichter ein einheitliches Para-
digma Urnen limina, liminis, limine mit mannigfachem Bedeutungs-
inhalt zur Verfügung stand. Ein Fortschritt der Dichterspra.che
liegt auch darin, daß die poetischen Urnen-Wendungen nicht nur
wie die prosaischen das "heraus, herein’, sondern auch das 'drinnen’
zum Ausdruck bringen können6. Für diese Neuerungen können
1 Paul Maas, Arch. Lat. Lex. 12, 1902, 479 ff.
2 Prop. 4,9,27 puniceae velabant limina vittae, cf. Lucr. 4, 1177 : Verg. a. 4, 202.
3 Zuerst bei Lucil. 1107 Ante fores autem et triclini limina quidam / perditus
Tiresia tussi grandaevns gemebat. Auch hier kann limina Ober- und Unter-
schwelle, also den Eingang bezeichnen. So auch bei Varro r. r. 3, 7, 2 (genus
quoddam columbarum clementius) cibo domestico contentum intra limina iannae
solet pasci. — Yerg. a 8, 362 haec limina Victor Alcides subiit.
4 Catull 63, 65 mihi ianuae frequentes, mihi limina tepida; Hör. epocl. 11,21
ad non amicos heu mihi postis et heu limina dura quibus lumbos et infregi latus.
5 So wohl Hör. s. 1, 5, 99 flamma sine tura liquescere limine sacro (Heinze
'der heilige Raum’)· — Lucan 2, 354 Idesta coronato non pendent limine serta.
6 Prop. 3, 3, 47 coronatos alienum ad limen amantes, Verg. a 2, 453 Urnen
erat caecaeque fores (dagegen Homer χ 126 όρσοθύρη be τις εσκε), Verg. all,
267 (Agamemno) coniugis . . . prima inter limina dextra oppetiit.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften