Metadaten

Meister, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 3. Abhandlung): Die Hausschwelle in Sprache und Religion der Römer — Heidelberg, 1925

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38945#0020
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

Karl Meister:

berichtet Ribbeck (Gesch. Rom. Dichtg. I, 133), dem Sinne nach
gewiß richtig, aber der lateinische Wortlaut ist ante nostram
ianuam appone (725), entsprechend nachher (759) propera adeo
puerum tollere hinc ab ianua.
Innerhalb der Grenzen, innerhalb deren die Schwelle genannt
zu werden pflegt, liegt auch das super Urnen des Hochzeitsritus.
Es hat mit den sublimen-Wendungen das gemein, daß es ein 'hin-
über über die Schwelle' ausdrückt, bei dem diese von der Person,
die super Urnen {sublimen) geht oder getragen wird, nicht berührt
wird, während bei eliminare, pedem limine efferre der Sprechende
es offen zu lassen scheint, ob er die Schwelle berührt oder nicht,
und der Ausdruck Urnen intrare wohl ein Betreten der Schwelle
in sich begreift. Alle Wendungen, die die Schwelle nennen,
super Urnen pedes attollere, sublimen rapere, eliminare usw., haben
eine Bedeutungsnuance, die sie von den anderen Ausdrücken des
Hinein- und Hinausgehens unterscheidet. Sie bezeichnen nicht
das alltägliche dnnein-hinaus’, sondern einen Eintritt oder Austritt,
der in seiner Art zum erstenmal erfolgt oder von besonderer
Wichtigkeit ist: Ein Mädchen wird gegen den Willen ihrer Mutter
von dem durch Leidenschaft und Schmerz bewegten Jüngling in
sein Haus gebracht, ein Besessener in die Klinik des Arztes,
Delinquenten werden hinaus- oder hineintransportiert, Leute warten
innerhalb der Schwelle, bis sie unbemerkt oder überraschend
heraustreten können, jemand stürzt in Aufregung aus dem Hause,
ein andrer vertreibt seine Ehefrau, wieder ein andrer verwehrt dem
Eigentümer den Eintritt. Der Konsul tritt über die Schwelle seines
Hauses in die Öffentlichkeit, der Gott sucht den Menschen heim.
Ihrer Bedeutung nach stehen so die besprochenen Ausdrücke in
der Mitte zwischen dem im eigentlichen Sinn gefaßten super Urnen
des Hochzeitsritus, mit dem der entscheidungsvollste Schritt, den
die Frau in ihrem ganzen Leben tut, bezeichnet wird, und den
exire (egredi), den exire foras [intus, ex aedibus), den abi intro ad
me, eamus intro hinc usw., die den gewöhnlichen Verkehr aus-
drücken, wie er zu hundert Malen in der Komödie sich abspielt.
Auf dieses Niveau sind die Zimen-Wendungen niemals herabgedrückt
worden. Am ehesten könnte man das Urnen extrem Ter. Hec. 378
in Anbetracht der dort geschilderten Situation als Ausnahme an-
sprechen: Es ist gewiß kein Zufall, daß gerade in dieser Wendung
die Bedeutung von Urnen nach Ausweis der Konstruktion besonders
verdunkelt ist.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften