Die Hausschwelle.
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zum Halten gekommen (a 2, 242 quater ipso in limine portae sub-
stitit1) und erst mit Anstrengung hinübergezogen worden, so hat er
gewiß in die griechische Sage ein römisches Motiv hineingetragen2.
Dieselbe auf den Anfang und den Eingang gerichtete Auf-
merksamkeit, die aus bestimmten äußeren Vorkommnissen Hin-
weise auf Erfolg oder Mißlingen des Unternehmens entnimmt, be-
herrscht auch die staatliche Religionsübung, die sich ja im alten
Rom in denselben Formen vollzieht wie die private. Sie ist uns
noch deutlicher, nicht nur weil unsre literarische Überlieferung
vom Staat und seiner Religion mehr erzählt als vom Alltagsleben
des Einzelnen und seinem Glauben, sondern auch weil der römische
Staat die alten Formen der Religion länger und treuer bewahrt
hat. Sind doch z. B. staatliche Auspizien noch in der Kaiserzeit
beobachtet worden, während die privaten Auspizien schon zu
Ciceros Zeit außer Gebrauch gekommen waren (Cic. div. 1, 16, 28).
Wie der altrömische Bürger beim Verlassen seines Hauses, so pflegt
der Magistrat vor Verlassen der Stadt, beim Überschreiten des
Pomoeriums, beim Übergang über einen Fluß nach Zeichen des
göttlichen Willens Umschau zu halten, beim Auszug in den Krieg
ist dies unerläßliches Gebot (Mommsen, Staatsrecht I2, 74 ff.). Am
deutlichsten spricht sich die Bedeutung, die der Glaube dem Ein-
gang und Ausgang gegeben hat, in der Vergottung von Tür und
Schwelle aus, in der Bildung der Gottesbegriffe Forculus und Li-
mentinus3, Portunus und vor allem Janus4, mit dessen Namen die
1 Dazu Eug.S.MgCartney u.Emory B.Lease, CI. Journal 19,1923/4, 316 u.447/8.
2 Vergil hat offenbar das mit dem Hauseingang verknüpfte böse Vorzeichen
auf das Stadttor übertragen, dem eine Schwelle schwerlich zukommt; sie hätte
ja die aus- und einfahrenden Wagen gehindert. Dadurch ist auch ein Wider-
spruch in der Erzählung entstanden, denn der Bericht, dem Vergil hier folgt, ließ
die Troer eine Bresche in die Stadtmauer schlagen, um das hölzerne Ungeheuer
hindurchzuziehen; Proklos nach der kleinen Ilias (Bethe, Homer II, S. 169):
τον . . . boupeiov ίππον εις την πόλιν εϊσδέχονται διελόντες μέρος τι τοΰ τείχους.
Damit stimmen die Worte des Aeneas bei Vergil a 2, 234 überein: dividimus
muros et moenia pandimus urbis, die man nicht mit Servius und neueren Er-
klären! als Durchbrechung der Torwölbung verstehen kann. Der sich aus ihnen
und V. 242 ergebende Widerspruch verrät ebenso wie der unvollständige Vers 233,
daß der Dichter an diese Partie nicht mehr die letzte Hand gelegt hat.
3 Wissowa, Ges. Abh. 304 ff.; Peter in Roschers Mythol. Lexikon unter
Indigitamenta; Agahd, Varronis antiqu. rer. div. XIV, 104.
4 Wissowa, Religion 2 103; W. F. Otto unter Janus RE Suppl. IV. — Für
das Verständnis der altrömischen Religion im allgemeinen Deubner, NJhb. 27,
1911, 321 ff.
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zum Halten gekommen (a 2, 242 quater ipso in limine portae sub-
stitit1) und erst mit Anstrengung hinübergezogen worden, so hat er
gewiß in die griechische Sage ein römisches Motiv hineingetragen2.
Dieselbe auf den Anfang und den Eingang gerichtete Auf-
merksamkeit, die aus bestimmten äußeren Vorkommnissen Hin-
weise auf Erfolg oder Mißlingen des Unternehmens entnimmt, be-
herrscht auch die staatliche Religionsübung, die sich ja im alten
Rom in denselben Formen vollzieht wie die private. Sie ist uns
noch deutlicher, nicht nur weil unsre literarische Überlieferung
vom Staat und seiner Religion mehr erzählt als vom Alltagsleben
des Einzelnen und seinem Glauben, sondern auch weil der römische
Staat die alten Formen der Religion länger und treuer bewahrt
hat. Sind doch z. B. staatliche Auspizien noch in der Kaiserzeit
beobachtet worden, während die privaten Auspizien schon zu
Ciceros Zeit außer Gebrauch gekommen waren (Cic. div. 1, 16, 28).
Wie der altrömische Bürger beim Verlassen seines Hauses, so pflegt
der Magistrat vor Verlassen der Stadt, beim Überschreiten des
Pomoeriums, beim Übergang über einen Fluß nach Zeichen des
göttlichen Willens Umschau zu halten, beim Auszug in den Krieg
ist dies unerläßliches Gebot (Mommsen, Staatsrecht I2, 74 ff.). Am
deutlichsten spricht sich die Bedeutung, die der Glaube dem Ein-
gang und Ausgang gegeben hat, in der Vergottung von Tür und
Schwelle aus, in der Bildung der Gottesbegriffe Forculus und Li-
mentinus3, Portunus und vor allem Janus4, mit dessen Namen die
1 Dazu Eug.S.MgCartney u.Emory B.Lease, CI. Journal 19,1923/4, 316 u.447/8.
2 Vergil hat offenbar das mit dem Hauseingang verknüpfte böse Vorzeichen
auf das Stadttor übertragen, dem eine Schwelle schwerlich zukommt; sie hätte
ja die aus- und einfahrenden Wagen gehindert. Dadurch ist auch ein Wider-
spruch in der Erzählung entstanden, denn der Bericht, dem Vergil hier folgt, ließ
die Troer eine Bresche in die Stadtmauer schlagen, um das hölzerne Ungeheuer
hindurchzuziehen; Proklos nach der kleinen Ilias (Bethe, Homer II, S. 169):
τον . . . boupeiov ίππον εις την πόλιν εϊσδέχονται διελόντες μέρος τι τοΰ τείχους.
Damit stimmen die Worte des Aeneas bei Vergil a 2, 234 überein: dividimus
muros et moenia pandimus urbis, die man nicht mit Servius und neueren Er-
klären! als Durchbrechung der Torwölbung verstehen kann. Der sich aus ihnen
und V. 242 ergebende Widerspruch verrät ebenso wie der unvollständige Vers 233,
daß der Dichter an diese Partie nicht mehr die letzte Hand gelegt hat.
3 Wissowa, Ges. Abh. 304 ff.; Peter in Roschers Mythol. Lexikon unter
Indigitamenta; Agahd, Varronis antiqu. rer. div. XIV, 104.
4 Wissowa, Religion 2 103; W. F. Otto unter Janus RE Suppl. IV. — Für
das Verständnis der altrömischen Religion im allgemeinen Deubner, NJhb. 27,
1911, 321 ff.