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Meister, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 3. Abhandlung): Die Hausschwelle in Sprache und Religion der Römer — Heidelberg, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.38945#0046
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46

Karl Meister:

gegeben haben. Erst von den Alchemisten ist sublimare und
Sublimat auf einen ganz neuen Bedeutungsbereich bezogen worden1.
10. Rückblick.
Die Schwelle des Hauses ist von den Römern bei wichtigen
Ein- und Ausgängen mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet
worden, die wohl der religiösen Sorgfalt entsprang, mit der sie
alles Tun in Haus und Feld, in Frieden und Krieg zu beginnen
pflegten. Wie der Gedanke der Schwelle in ihrer Vorstellung in
viel höherem Grade affektbetont war als in der Vorstellung an-
derer Kulturvölker, so hat sich das Wort Urnen im Lateinischen in
vielen Wendungen eingebürgert, an deren Stelle in anderen Sprachen
einfache Wörter des Hineingehens, Hinaustragens usw. üblich sind.
Zu diesen gehört super Urnen (ferre, rapere usw.), das sich in einer
bestimmten Wendung des Hochzeitsritus unverändert erhalten hat.
Sonst ist das schon in vorliterarischer Zeit sprachlich isolierte
super Urnen (die alte Bedeutung und Konstruktion war zeitweilig
außer Gebrauch gekommen) unter der Wirkung des altlateinischen
Akzents zu suplimen zusammengezogen worden. Weiter hat dann
der Einfluß der Komposita mit sub- die Anfangssilbe des Wortes
verändert («Präfixeinmischung»), der Einfluß von Wendungen wie
praecipitem dare das Eindringen der SandhiVariante sublimem in
die Schriftsprache begünstigt. Diese Variante ist bald der Ausgangs-
punkt einer Reihe von Neubildungen, sublime sublimiter sublimare
sublimus, schließlich von sublimis geworden, das in den dauernden
Besitz der Dichtersprache, später auch der Prosa, übergegangen ist.
Mit der fortschreitenden Verdunkelung der ursprünglichen
Bestandteile ging eine Umwertung des Sinnes Hand in Hand.
Konnte sublimen bei Naevius und Plautus stets noch im ursprüng-
lichen Sinn 'über die Schwelle' verstanden werden, so ist im
spätesten Stück des Terenz der Zusammenhang mit Schwelle und
Haus vergessen und eine Nebenvorstellung zur Hauptvorstellung
geworden: sublimen arripere bedeutet 'rasch in die Höhe heben’.
Von dieser Bedeutung ausgehend, hat Ennius das Wort und seine
Ableitungen dazu verwendet, um dem ihn beherrschenden Gedanken
des Himmelsraumes einen Ausdruck zu geben, der etwa dem
griechischen μετέωρος entsprach; seitdem hat es den Sinn 'in der
Höhe (in die Höhe) schwebend’, mit dem es in allen Jahrhun-
derten der lateinischen Sprache verbunden geblieben ist.

1 Belege aus dem 13./14. Jahrh. bei Du Cange.
 
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