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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 1. Abhandlung): Rechtssprachgeographie — Heidelberg, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.38921#0021
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Rechtssprachgeographie.

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Auf der andern Seite wieder läßt sich oft das genaue Gegenteil
beobachten, nämlich daß die Rechtswörter die Grenzen ihres Be-
reiches leicht überspringen. So namentlich, wenn Rechtsüber-
tragungen, Rezeptionen stattfanden; sei es nun Übertragungen
ganzer Rechtsquellen oder einzelner Institutionen. Mit der Sache
wandert oft, wenn auch nicht immer das Wort. Die Rechtsentleh-
nungen und damit die Entlehnungen von Rechtswörtern sind aber
in ihren Wegen unabhängig von den allgemeinen Sprachbeziehungen,
sprachlichen Berührungen und Entlehnungen.
Besonders charakteristisch für die Rechtssprache ist ihre
Beständigkeit und Gebundenheit. Sie nützt ihre Wörter meist nur
ganz langsam ah, sie wechselt selten. Sie liebt Festlegung auf ein-
zelne eindeutige Wörter und verzichtet in der Regel auf das sonst
so geläufige Mittel der Abwechslung im Ausdruck, selbst auf die
Gefahr hin, in Eintönigkeit zu verfallen. Die Rechtswörter sind
Schutz- und Trutzwaffen im Kampfe des Lehens; ihre Wirkung
hängt vom richtigen Gebrauch ah. Die Rechtswörter führen ein
ähnliches Leben wie Zauberwörter, denen sie aufs nächste verwandt
sind. In Rechtssachen hört die Gemütlichkeit auf, dafür ist beson-
ders bezeichnend der Gegensatz zwischen der Liebenswürdigkeit
der mündlichen Vorverhandlungen — die Verbindlichkeit beim
Unverbindlichen — und der oft schroffen Formulierung von schrift-
lichen Verträgen, in denen Vertragsbruch aller Art dem Gegner
zugemutet und die Ansprüche durch allerlei Klauseln, Vorbehalte
und Strafandrohungen gesichert werden.
Wo aber Recht mit Zauber verbunden ist, wo Recht und
Religion Zusammenwirken, da ist die Gebundenheit am stärksten.
Dies zeigen die Eidformeln. Da kommt es auf die Wahl des ein-
zelnen Wortes an, da ist Sprache und Mundart von größter Wichtig-
keit. Aus allen Zeiten und Gegenden ließen sich Beispiele erbringen,
daß der Eid in der Sprache geschworen wird, in der er am wirk-
samsten ist, in der Muttersprache des Schwörenden26.
26 Die Straßburger Eide von 842 mit dem Nebeneinander von Deutsch
und Französisch sind für die Geschichte beider Sprachen von größter Wich-
tigkeit. •— Ein Iglauer Schöffenspruch des 14. Jahrhunderts (Tomasci-iek,
S. 62, Nr. 22) sagt, den Eid soll man schwören in der Sprache, die man am
besten kann. Deutschen Weistümern aus Mähren sind tschechische Eid-
formulare angehängt. -— Im gemischtsprachigen Freiburg im Uechtland
werden die Eide teils deutsch, teils französisch geschworen (Weilenmann,
Die vielsprachige Schweiz, 45, 242). -—• Die Amtseide im rhätoromanischen
Graubünden wurden auch da, wo die Satzung selbst deutsch war, doch roma-
 
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